Foto: Zahar Aborkin
Sergei Tchoban verfolgt konsequent seine Leidenschaft. Als passionierter Architekt und Sammler von Architekturzeichnungen beschließt er, in Berlin ein Museum zu bauen, das seine Schätze beherbergen soll. Zunächst entsteht im Jahre 2009 die Tchoban Foundation, aus der 2013 das Museum für Architekturzeichnung hervorgeht – ein Bau, dessen Corpus wie überdimensionierte, übereinander gestapelte und begehbare Zeichenschubladen anmutet. Die Oberflächengestaltung der Betonfassade mit ihren Reliefs stellt ebenfalls einen direkten Bezug zu Architekturzeichnungen her.
Seit einem Jahr beherbergt die Tchoban Foundation sorgsam und liebevoll zusammengetragene Größen und Geheimtipps aus dem Bereich der Architekturzeichnung, die jeden, der sich für Architektur und die Schnittstelle zur Kunst interessiert, ebenfalls interessieren sollten. Zudem entwickelt die Stiftung weltweite Kooperationen mit Institutionen, Sammlern und Stiftungen, die sich ebenfalls der Architekturzeichnung verschrieben haben und setzt so den eigenen, stetig wachsenden Fundus in einen Dialog mit wertvollen internationalen Leihgaben.
Zu Zeiten, in denen die Versuchung groß ist, Zeichentalent und räumliches Vorstellungsvermögen durch CAD-Programme zu ersetzen, wirft die Tchoban Foundation einen Blick zurück in die Vergangenheit, was oft erstaunlich romantisch und zukunftsnah zugleich scheint. So wie im Fall der aktuellen Ausstellung des Visionärs, Lehrers und Architekturtheoretikers Lebbeus Woods (1940–2012), der sich zeitlebens damit beschäftigte, Architekturvisionen zu entwickeln und in unverwechselbarer Perfektion mit seiner charakteristischen Linienführung auf das Papier zu bringen. Hierbei ging es Woods nie um die Umsetzung, was die visionären Entwürfe von allen Grenzen der Statik und Machbarkeit befreit. Für diesen mutigen Ansatz, wurde Woods von Freunden und „umsetzenden“ Architekten wie Zaha Hadid, Zvi Hecker und Steven Holl als Inspiration hoch geschätzt.
Einige dieser Zeichnungen sind derzeit in der Berliner Tchoban Foundation zu sehen, wobei die meisten zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Herr Tchoban, Sie haben sich ganz dem Thema der Architekturzeichnung verschrieben. Was fasziniert Sie so daran, dass Sie sich und Ihre Stiftung diesem Thema widmen?
Ziel des Museums ist es, die Menschen für Architekturzeichnungen zu begeistern – eine sehr schöne und vollkommene Kunstform. Man kann über Architektur auf Basis der Architekturzeichnung sprechen. „Architekturzeichnung“ ist hier ein weiter Begriff: es geht nicht nur um die Darstellungen von Architekten, sondern auch die gezeichnete Architektur von Künstlern. Bei allen Zeichnungen geht es um das Verhältnis zwischen dem zeichnenden Menschen und der gezeichneten Umwelt oder – wie in manchen Fällen – der noch nicht gebauten Umwelt, um Visionen.
Warum wollten Sie Lebbeus Woods in ihren Räumen zeigen und was ist das Besondere an der Ausstellung?
Wir versuchen für unser Programm Ausstellungsgegenstände zu finden, die kunstvolle Perfektion mit kühnen Visionen in Verbindung bringen. Lebbeus Woods‘ Werk ist in diesem Sinne ein ideales Thema für eine Ausstellung in unserem Museum. Woods war nicht nur ein großer Visionär, der viele international renommierte Architekten beeinflusst hat, sondern er hat auch fantastische Kunstwerke geschaffen, die als solche empfunden werden können. Die Besucher der Ausstellung sehen Städte der Zukunft, wie sie vor 30 Jahren von einem Visionär entworfen wurden, sie sehen auch ganz tolle Zeichnungen, denen man die künstlerische Begabung und das zeichnerische Können von Lebbeus Woods sofort ansieht. Die Betrachtung der einzelnen Blätter ist genauso spannend wie die Gedanken, die in diese Visionen eingeflossen sind.
Wo sind Sie Lebbeus Woods zum ersten Mal begegnet?
Ich habe ihn leider nie kennengelernt – leider, weil er eine faszinierende Persönlichkeit gewesen sein muss. Aber ich kenne seine Zeichnungen seit 25 Jahren. Zum ersten Mal sind mir Lebbeus Woods Zeichnungen bei Kristin Feireiss begegnet, die in den Achtzigerjahren zum ersten Mal überhaupt eine Woods Ausstellung bei AEDES gemacht hat. Ich war sofort fasziniert, sowohl von den Ideen als auch von der vollkommenen Art des Zeichnens. Da habe ich angefangen die Bücher zu kaufen und seither oft darin geblättert. Das gehört wohl zu meiner Faszination für diesen Menschen.
Die Ausstellung ist noch bis zum 3. Oktober zu sehen. Ab dem 18.10.2014 erwarten den Besucher in der Ausstellung „LʼHôtel particulier à Paris“ rund 60 Handzeichnungen von Hôtels particuliers, die im frühen 18. Jahrhunderts in Paris erbaut wurden und noch heute zum Weltruf der französischen Hauptstadt beitragen.
http://www.tchoban-foundation.de/
Ort: Tchoban Foundation. Museum für Architekturzeichnung
Adresse : Christinenstraße 18a | 10119 Berlin
Öffnungszeiten: Mo-Fr: 14-19 Uhr, Sa-So: 13-17 Uhr
Eintritt: 5,00 Euro, ermäßigt 3,00 Euro
Lebbeus Woods, Geomagnetic Flying Machines, AP 10. 1989. Airbrush, Feder, Tusche auf Papier, 563 × 368 mm, © Estate of Lebbeus Woods // Lebbeus Woods, Centricity: Quad GA: Square with Geodynamic Towers. 1986–1987. Bleistift und Airbrush auf Karton, 612 × 584 mm , © Estate of Lebbeus Woods
Text, Interview: Kaja Siebrecht