Die vierteilige Ausstellungsreihe PRIME TIME – Archetypes of Abstraction in Photography in der Berliner Galerie DIEHL stellt sämtliche Kategorien des fotografischen Mediums auf den Prüfstand: Zeit, Licht, Raum oder Material werden in dieser Ausstellungsreihe solange seziert, bis alle Referenzen zu einer Welt jenseits der fotografischen Fläche verschwunden sind. Zurück bleibt das autonome Bild – mal als abstraktes Fotogramm, mal als monochromes Feld auf lichtempfindlichem Papier. 16 Künstler – von modernen Klassikern wie Heinz Hajek-Halke bis hin zu Zeitgenossen wie Stefan Heyne, Hiroshi Sugimoto oder Thomas Ruff – hinterfragen in ihren Arbeiten auf ganz unterschiedliche Weise die grundlegenden Glaubenssätze des fotografischen Denkens. ARTPRESS hatte die Gelegenheit dem Kurator, dem Berliner Kunstkritiker und Journalisten Ralf Hanselle, drei Fragen zu stellen.
Herr Hanselle, PRIME TIME ist ganz der abstrakten Fotografie gewidmet. Was ist das Besondere an dieser Form der Fotografie?
Abstraktion, so wie wir sie in der Ausstellung verstehen, zerschlägt eine alte ideologische Bindung: die zwischen dem fotografischen Bild und der vermeintlich objektiven Realität. Als Louis Daguerre vor gut 175 Jahren das fotografische Verfahren erfand, da fiel dies in die Hochphase des Empirismus. Die Fotografie kam da gerade recht. Sie war ein Hilfsmittel zur Vermessung der Welt. Und das ist sie im Wesentlichen bis heute geblieben. Die Ausstellungsreihe PRIME TIME aber will zeigen, dass die Fotografie auch losgelöst vom Weltbild des 19. Jahrhunderts existieren kann.
Weshalb haben Sie sich entschieden, die Ausstellung vierteilig anzulegen? Welche Kriterien waren für die Wahl der einzelnen Teile ausschlaggebend?
Die Geschichte der Fotografie ist gespickt mit unzähligen Anxiomen und Ideologemen. Mal war die Fotografie ein “Fenster zur Welt”, mal Medium des “Decisive Moments”. Wenn man aber erst einmal anfängt, das Medium einem radikalen Zweifel zu unterziehen, dann fallen auch die klassischen Glaubenssätze der Fotografie nach und nach wie Dominosteine um. Mir war es wichtig, Positionen zu finden, die gewisse Grundannahmen gegenüber der Fotografie gegenläufig machen. Hirohi Sugimoto, Stefan Heyne und Inge Dick etwa beschäftigen sich in ihren Arbeiten auf je unterschiedliche Weise mit der Zeit.
Und doch zeigen diese Bilder keine Momente oder Augenblicke. Sie sind vielmehr Blicke in die Ewigkeit oder auf das immerwährende Jetzt. Andere Themenblöcke beschäftigen sich mit der Materialität des fotografischen Bildes oder mit der Referenz zwischen Bild und Objekt. Jeder Teil greift eine Annahme über die Fotografie auf und versucht diese bildnerisch zu wiederlegen.
Was hat Sie bei der kuratorischen Arbeit an dieser Ausstellung besonders gereizt?
Nichts ist schöner, als Tabula rasa zu machen. Wir leben in einer Zeit, in der die Fotografie ungemein boomt. Jeder meint heute zu wissen, was ein Foto ist und wie man die Ideologie der Fotografie bedienen kann. Das führt aber gleichzeitig dazu, dass die Fotografie ungemein langweilig geworden ist. Mitten auf dem Zenit steckt die Fotografie in einer Existenzkrise. Da ist es natürlich verlockend, das fotografische Bild neu zu denken. Zudem eröffnet Abstraktion – ob nun mit Mitteln der Fotografie oder der Malerei – neue Zugänge zur Wirklichkeit. Hier hat das Medium vielleicht noch etwas Nachholbedarf. Denn was Malern wie Kandinsky oder Malewitsch bereits am Beginn des 20. Jahrhunderts klar war, das dämmert vielen Fotografen erst jetzt: Ein Bild ist eine autonome Realität. Nur die Fotografie verhält sich noch immer so, als wäre man mit Gustave Courbet in die Zielgerade der Bildenden Kunst eingebogen.
Vielen Dank!
24. Juni – 23. Juli 2016
1. The Decisive Aeon
Stefan Heyne, Inge Dick, Hiroshi Sugimoto
2. Object_If
Richard Caldicott, Luuk de Haan, Marleen Sleeuwits
29. Juli – 10. September 2016
3. The Pencil of Nothing
Hanno Otten, Marco Breuer, Pierre
Cordier + Gundi Falk, Alfons Eggert
4. Dark Sides
Ralf Cohen, Thomas Ruff, Edward Mapplethorpe, Heinz Hajek-Halke, Chargesheimer
Kurator: Ralf Hanselle
Galerie DIEHL | Niebuhrstraße 2 | 10629 Berlin | www.galerievolkerdiehl.com
Eröffnung: 24. Juni 2016, 18-21 Uhr
Interview: Laura Kuthan