Marco Clausen ist einer der Gründer des Prinzessinnengartens, einem Pilotprojekt sozialer und ökologischer urbaner Landwirtschaft, welches sich am Moritzplatz in Berlin-Kreuzberg befindet. Wir durften ihm drei Fragen stellen und sprachen mit ihm über das Projekt Locating and Figuring Care and Commons in the Rurban Realm, welches diesen Sommer im Prinzessinnengarten stattfinden wird und von der Perspektive 2016 des Bureau des Arts Plastiques gefördert wird.
ARTPRESS Was steckt hinter dem Projekt des Prinzessinnengartens?
MARCO CLAUSEN Ursprünglich inspiriert von urbanen Landwirtschaftsprojekten in Kuba, haben wir im Sommer 2009 gemeinsam mit Hunderten Freiwilligen damit begonnen, eine zugewucherte und vermüllte Brachfläche am Moritzplatz in Berlin-Kreuzberg in einen gemeinschaftlich genutzten urbanen Garten zu verwandeln. Hauptziel dieses allen zugänglichen Ortes ist das wechselseitige Lernen, insbesondere zu ökologischem Anbau, biologischer Vielfalt, Kompostiermethoden, Re-Use und Recycling, und Bienenhaltung in der Stadt. Gleichzeitig beschäftigen wir uns mit Fragen einer partizipativen und nachhaltigen Stadt- und Quartiersentwicklung.
ARTPRESS Wie kam es zu der Kooperation mit den anderen Projektträgern, der Künstlerin Asa Sonjasdotter und den Architekturbüros Atelier d’architecture autogérée (aaa) (FR) and fat koehl architects (DE)?
MARCO CLAUSEN 2015 haben Asa Sonjasdotter, Elizabeth Calderon-Lüning (common grounds), Marco Clausen (Prinzessinnengarten) und die anstiftung die Nachbarschaftsakademie im Prinzessinnengarten gegründet. Sie ist eine offene Plattform, des Wissensaustausches, der kulturellen Praxis und des Aktivismus in Stadt und Land. Wir widmen uns Fragen, die sich aus der Arbeit im Prinzessinnengarten heraus entwickelt haben und laden Menschen und Initiativen aus der Nachbarschaft, aus Brandenburg und aus Städten und ländlichen Gebieten weltweit ein, um sich gemeinsam zu Themen wie Ernährungssouveränität, Stadt-Land-Beziehungen, Klimawandel, Migration oder Recht auf Stadt auszutauschen. Das erste Programm vom Sommer 2015 haben wir dem Thema “Stadt-Land-Boden” gewidmet. Brett Bloom (Chicago) hat Interviews zur Landwirtschaft in Brandenburg geführt. Marjetica Potrc hat mit ihrer Klasse Design for the Living World zu Wasser und Boden geforscht. Paula Z. Segal (596 Acres, New York) hat gemeinsamen mit Anna Heilgemeir und Enrico Schönberg die Gemeingüter in Kreuzberg erkundet und markiert. Eingeladen hatten wir auch Atelier d’architecture autogorée, die mit R-Urban ein weltweit beachtetes Pionierprojekt zu urbaner Resilienz initiiert haben, dass Fragen des Gärtnerns in der Stadt, des Recyclings, des Wohnen und der Quartiersentwicklung miteinander verbindet. In ihrem Vortrag in der Nachbarschaftsakademie haben sie auch auf die prekäre Situation des Projektes aufmerksam gemacht. Sie müssen sich mit einer Stadtverwaltung auseinandersetzen, die das wegweisende Projekt für eine partizipative und nachhaltige Nachbarschaftsentwicklung durch einen temporären Parkplatz ersetzen will.
fat koehl arbeitet mit uns seit 3 Jahren an der Entwicklung eines experimentellen Holzbaus, der “Laube im Prinzessinnengarten“. In ihm wird die Nachbarschaftsakademie Hauptnutzerin sein. Es ist öffentlich zugänglich, wird mit begrünten Terrassen den Garten in die Höhe erweitern und soll als ein offener Lernort für nachbarschafts- und gemeinwohlorientierte Projekte dienen.
ARTPRESS Was können Teilnehmer vom Workshop Locating and Figuring Care and Commons in the Rurban Realm erwarten?
MARCO CLAUSEN Die Nachbarschaftakademie befasst sich derzeit mit dem Thema kollektives Lernen. Wir interessieren uns für den wechselseitigen Austausch von Wissen, Erfahrungen und Methoden zwischen unterschiedlichen Initiativen, KünstlerInnen und Organisationen, insbesondere zu Themen wie ländliche Räume, Stadt-Land-Beziehungen, Gemeingüter, kollektive Modelle, Ökosysteme und Degrowth. Durch einen solchen Austausch wollen wir am Aufbau neuer Nachbarschaften mitwirken, die auch über weite Entfernungen existieren können. In dem Workshop geht es daher um die Frage, wie könnte eine Nachbarschaftsakademie in Paris oder Colombes aussehen. Mit welchen Fragen würde sie sich beschäftigen, welche Methoden könnte sie entwickeln und wie würde man sie organisieren. Ziel ist es, eine Art hypothetischen Lehrplan zu entwickeln, mit dem R-Urban, die Nachbarschaftsakademie und andere Projekte in Zukunft arbeiten könnten. Der erste Workshop und eine öffentliche Präsentation hat am 12. und 13. Mai im Rahmen der “Université Civique R-Urban: Résilience en réseau” vor dem Pariser Rathaus stattgefunden.
ARTPRESS Dankeschön!
Locating and Figuring Care and Commons in the Rurban Realm
The Neighbourhood Academy (DE)
@ Prinzessinnengarten, Berlin / R-Urban, Colombes
Interview: Laura Kuthan