THE BLACK AND WHITE KEY

Ulrike Buhl ist Künstlerin und Kuratorin der Ausstellung THE BLACK AND WHITE KEY, welche ab dem 20. März im SCHAU FENSTER – RAUM FÜR KUNST zu sehen ist.

Die Gruppenausstellung THE BLACK AND WHITE KEY zeigt dreizehn zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler die sich mit den umwälzenden politischen und gesellschaftlichen Geschehnissen der jüngsten Zeit beschäftigen und über die grundlegenden Elemente der Existenz reflektieren.

VS_schaufenster_karte_final_rgb_web600

Im Pressetext schreiben Sie, dass ein „inhaltlich aufgeladenes Ausstellungskonzept“ präsentiert wird. Können Sie uns mehr über das Ausstellungskonzept erzählen?

Mir geht es nicht darum, um konkrete Antworten abzuliefern, sondern Fragen anzuregen, Fragen zu stellen. THE BLACK AND WHITE KEY ist eine Suche universeller Wertefindung. Was sind unsere Werte heute – woran glauben wir? Wie schaffen wir neue Werte? Gibt es, in vollem Gegensatz zum heute überwiegend materiell bestimmten Lebensentwurf der Menschen, Fragestellungen, die hinter allem menschlichen Wesen auch heute noch nach Hintergründen fragen, Herkunftsmäßiges suchen? Wie stellen wir heute jene Fragen, die erkunden möchten, woher wir kommen und wohin wir gehen?

 Ich weigere mich auch in der Bildenden Kunst Fast Food anzubieten, zu produzieren oder zu konsumieren. Damit meine ich, was sofort nach allen Seiten formal und inhaltlich zu entschlüsseln ist, also keine Anstrengung einfordert. Paul Celan wurde mal – glaube ich von einem Literaturkritiker –  gefragt, was denn das Gedicht bedeute, was denn der Inhalt sei usw. Darauf hat Paul Celan geantwortet: er möge es nur oftmals lesen und immer wieder lesen, dann würde sich ihm der Sinn schon entschlüsseln. – Eine bessere Antwort kann man doch gar nicht bekommen.

Das heißt für mich auch: Das Rätselhafte darf rätselhaft bleiben. Heute war ein Artikel im Wirtschaftsblatt von Arne Johannsen: „Junge Banker brauchen Ethik-Unterricht“. Ich finde nicht nur Banker, sondern alle. Hier wird speziell auch nach einem Wertebegriff gefragt. Wir alle stehen in der Verantwortung unserer täglichen Handlungen, vor allem was das Soziale anbelangt. Genau dieser Wertebegriff ist für mich eng verbunden mit der Frage des Woher und Wohin.

Jeder hat hier andere oder eigene Fragestellungen und eine solche Ausstellung kann meiner Ansicht nach nur eine Sammlung von Ansätzen sein, die eben durch die Ausstellung bestenfalls zu einem Diskurs führen können. Gemeinsam ist uns allen aber eine existenzielle Sicht auf die Phänomene, nur jeder findet hier seinen ganz individuellen Zugang, Fragestellungen und Antworten.

Wolfgang-Betke_Eremitenort
Wolfgang-Betke_Eremitenort 2014. Copyright: Wolfgang-Betke

Wenn ich alles offen aufdecke oder die Grenzen zu eng stecke, würde ich Sie doch um einen eigenen Erkenntnisgewinn bringen, der doch wahrlich nicht nur ein schmerzhafter, sondern vielmals auch ein beglückender Moment sein kann. Ich würde Ihnen Ihre eigene Autorität, damit Ihr Eigenleben – und Eigendenken, folglich Ihren Freiheitsbegriff absprechen und Sie um diesen Glücksmoment berauben. Glück bedeutet für mich nicht nur „Happy-sein“, sondern z.B. auch die bittere Erkenntnis, die mich meines Weges ein Stück weiterbringt und dann empfinde ich das als großes Glück, als Gnade, als Geschenk. Diese Ambivalenz ist es, was mich interessiert. Die Spaltung, eine Spaltung zieht doch mitten durch unsere Gesellschaft, auch wenn wir das noch nicht wahrhaben wollen. Aber es ist da, ganz konkret und ist im Zunehmen begriffen.

Was bedeutet Spaltung, welchen Sinn hat dieser Vorgang und wie wirkt sich dieser auf bestimmte Lebensbereiche aus? Wie kann der Dualismus, die Spaltung überwunden werden, was kann sich als neues Drittes bilden. Was schärft unseren Blick für die feinen Zwischentöne. Wie können wir uns der Differenzierungen zwischen den Extremen bewusst werden. Es gibt nicht das absolute Gute und absolute Böse: jedes bedingt eines Gegenüber und wird dadurch Teil eines Ganzen.

Sabine-Groß_Ohne-Titel. 2006 Copyright: Sabine-Groß
Sabine-Groß_Ohne-Titel. 2006 Copyright: Sabine-Groß

Mich interessiert gerade diese Gleichzeitigkeit von Gut und Böse, Wahrheit und Lüge usw. Das ist ja auch Kern z.B. der berühmten „Gretchenfrage“ im Faust von Goethe. Und beispielhaft bezugnehmend auf das Werk von Sebastian Neeb: auch bei ihm herrscht eben genau diese Gleichzeitigkeit: es herrscht eine bedrohliche Situation, die er auf sehr humorvolle und einfache Weise entschärft, in dem er das Monster einfach absägt. Für mich ist Kunst genau deshalb interessant, weil Sie Pauschalisierungen hinterfragt und nicht unterstützt.

Welchen Herausforderungen standen Sie bei der Konzeption der Ausstellung und der Auswahl der Künstler gegenüber?

Die Herausforderung war, dem Bild im Kopf, der Idee zur Ausstellung so nah als irgend möglich zu kommen. Eine Ausstellung zu machen ist für mich der gleiche Prozess wie ein einzelnes Kunstwerk zu schaffen: es gibt a) eine Idee und dann b) kommt der Prozess das zu materialisieren und hier beginnt dann gleich der Absturz in die Realität. Das ist wie ein lebendiger Organismus und permanent in Bewegung begriffen. Und so erfolgte auch die Auswahl der Künstler. Manche Positionen waren sofort klar, weil ich die Arbeiten kenne, wusste, was ich suche und manches hat sich im Prozess einfach ergeben. Eine weitere Herausforderung war: sich zu beschränken. Natürlich hatte ich in der Konzeptionsphase Künstler oder Arbeiten im Sinn, die an dem aktuellen Ort einfach nicht möglich sind. Daher: es ist ein Anfang und wir werden sehen, was passiert. Das Prozesshafte, was mir wichtig ist, könnte ich so beschreiben: Augen und Ohren auf, was kommt mir entgegen und auch Vertrauen zu haben, dass sich die Arbeiten finden, die der Ausstellung helfen.

Im Hinblick auf parallel laufende Projekte ist sicherlich die zeitliche eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Aber man ist ja wie „infiziert“ von der Idee, wie  davon besessen und will das bestmögliche Ergebnis erreichen, was eben den Umständen entsprechend möglich ist. Es bedrängt einen eben die Idee. Ob ich damit „gewinne“ oder „verliere“, also der Gedanke an das heute so viel diskutierte mögliche Scheitern interessiert mich wenig. Es geht mir um die Tat, den Weg und aus jeder Tat wächst Erkenntnis und folglich Erfahrung.

Pietro Sanguineti _Void. 2009 Copyright: Pietro-Sanguinet
Pietro Sanguineti _Void. 2009 Copyright: Pietro-Sanguineti

Welche Bedeutung hat der Ausstellungstitel THE BLACK AND WHITE KEY?

Das ist die einfachste und schwierigste Frage zugleich: ein Schlüssel zur Wertefindung. – Eigentlich möchte ich es gerne als Rätsel belassen; denn wenn man lange darüber nachdenkt, entschlüsselt sich einem schon der Inhalt und bestenfalls vielleicht durch die Ausstellung. Aber vielleicht als Brücke: Mit Schlüssel verbindet man meistens etwas wie Öffnen oder Schließen. Wenn ich mir Fragen stelle, was öffnet sich, wie kann ich mich den drängenden Fragen öffnen und wo kehre ich mich ab und es verschließt sich etwas. Wo binde ich mich an, was sind meine Werte, wie finde ich den Schlüssel für meinen persönlichen Wertebegriff.

Ziel  dieser  Ausstellung  ist  es  einen  unabhängigen Diskurs  zu  den Grundelementen menschlicher Existenz zu führen. Wie sieht das bestmögliche Ergebnis dieses Diskurses für Sie aus?

 Nun Ziel, besser vielleicht eher Intention oder ein Versuch an sich: Wenn sich bei einigen Menschen, bei Einem, eine Tür öffnet und sei sie noch so klein. Ich ringe ja selbst in Allem und nehme mich da gar nicht aus. Aber wenn ich es schaffe, dass ich bei dem Einen oder Anderen eine Frage anrege, die damit wiederum eine Bewegung,  ein Sich-Fortbewegen  – wohin auch immer – zur Folge hat, habe ich doch schon viel gewonnen. Ich bin kein Wirschafter, es geht mir nicht um messbare Erfolge, sondern wenn überhaupt, verstehe ich mich vielleicht als „Bewegungshelfer“.

DANKE!

Interview: Barbara Green

THE  BLACK  AND  WHITE  KEY ist  eine  von  VISIONS  OF  THE  PRESENT  konzipierte Ausstellungsreihe zeitgenössischer Kunst.

Die Gruppenausstellung THE BLACK AND WHITE KEY zeigt 13 Künstlerinnen und Künstler:
Wolfgang  Betke,  Ulrike  Buhl, Ulrike  Buhl,  Sabine  Groß,  Marc  Jung,  Markus  Keibel, Isabel, Kerkermeier,  Sebastian  Neeb,  Jennifer  Oellerich,  Pietro  Sanguineti,  Wiebke  Maria, Wachmann, Michaela Zimmer.

THE BLACK AND WHITE KEY eröffnet am Freitag, den 20.3.2015 um 19 – 1 Uhr.
Ausstellung vom 20.3.- 05.04.2015 im Schau Fenster –  Raum für Kunst, Lobeckstr. 30-35, 10969 Berlin – Kreuzberg.

Ulrike-Buhl_wenn-die-Hoffnung-nicht-wär 2015
Ulrike-Buhl_wenn-die-Hoffnung-nicht-wär 2015. Copyright: Ulrike Buhl

Leave a Reply