Enter the Dark

Das  Zentrum  für  Internationale  Lichtkunst  Unna  zeigt  ab  dem  26.  September  2015 Arbeiten  von  Anthony  McCall  (UK),  Diana  Ramaekers  (NL),  Regine  Schumann  (DE), Vera Röhm (DE) und Lucinda Devlin (US).Alle  Arbeiten  verbindet,  dass  sie  das  Dunkel  verdrängen  und  doch  erst  in  der  Dunkelheit lebendig  werden. 

Dunkelheit  verschluckt  die  Welt  um  uns  herum.  Ein  Raum  ohne  Licht,  ohne Schatten  und  ohne  Farben  hat  etwas  Beängstigendes  oder  Verstörendes.  Die  fast  vollständig dunklen  Ausstellungsräume  im  Zentrum  für  Internationale  Lichtkunst  hüllen  die  Besucher  ein und  lassen  erst  nach  einer  kurzen  Phase  der  Gewöhnung  die  Kunstwerke  der  Ausstellung ¡DARK!  erkennbar werden.  Die  Ausstellung lädt  die BesucherInnen ein,  mit den Installationen zu interagieren und so Teil der Kunstwerke zu werden.

Ergänzend  zeigt  die  „Galerie  m  Bochum“  unter  dem  Titel  DARK  II  in  den  Räumen  des Zentrum  für  Internationale  Lichtkunst  Unna  die  Fotografie-Serie  The  Omega  Suites  der Künstlerin und Fotografin Lucinda Devlin. Die Ausstellung ist bis zum 03. April 2016 im Rahmen der öffentlichen Führungen zu sehen.

Anthony McCall Meeting You Halfway II (2009) © the artist Courtesy Galerie Thomas Zander, Köln / Sean  Kelly Gallery, New York / Galerie Sprüth  Magers, Berlin, London
Anthony McCall: Meeting You Halfway II (2009) © the artist
Courtesy Galerie Thomas Zander, Köln / Sean. Kelly Gallery, New York / Galerie Sprüth Magers, Berlin, London

Anthony McCall: Meeting You Halfway II (2009)
Anthony  McCall  wurde  Anfang  der  1970er  für  seine  individuellen  Lichtinstallationen  bekannt, die sogenannten „Solides Licht“-Filme. McCall entwickelte damit eine Signaturtechnik für seine Arbeit:  Animierte  Linien  in  Schwarz-Weiß  werden  in  einen  mit  feinem  Kunstnebel  gefüllten Raum  projiziert,  so  dass  die  zweidimensionalen  Zeichnungen  als  scheinbar  greifbare, skulpturale  Formen  im  realen  Raum  artikuliert  werden.  Von  Anfang  an  stellte  der  Künstler hiermit  das  Kino  auf  den  Kopf  und  kreierte  einen  vollständig  durchquerbaren,  populistischen Raum.
So  existieren  seine  Werke  an  den  Grenzen  zu  Kino,  Skulptur  und  Zeichnung.  Die  Werke  sind flüchtig und scheinen doch greifbar, physisch. Horizontal durch den Raum auf eine Wand oder –  wie  in  seinen  jüngsten  Werken  –  von  der  Decke  auf  den  Boden  projiziert,  hüllen  sie  den Betrachter ein in einen einzelnen, sich langsam bewegenden Kegel aus Licht. Die Arbeit Meeting You Halfway II (2009)  ist ein Beispiel seiner horizontalen Arbeiten, die den Betrachter  integrieren.  Die  Installation  kombiniert  und  teilt  verschiedene  Konfigurationen zweier Ellipsen. „[I]m drei-dimensionalen Raum erschafft dies eine komplexe skulpturale Form in einem Zustand langsamer, konstanter Veränderung“ , beschreibt es McCall. Es ist zudem wie ein  Film,  denn  „auch  wenn  man  es  erkundet,  wird  es  sich  fortlaufend  entwickeln  und verändern“. Die Arbeit reiht sich somit in die lange Reihe der „Solides Licht“ -Film-Arbeiten ein, deren  erstes  Werk  aus  den  1970ern,  Line  Describing  a  Cone,  zu  einem  Klassiker  des Avantgarde-Kinos geworden ist.

Diana Ramaekers Licht Resonanzen 2013 © Diana Ramaekers
Diana Ramaekers: Licht Resonanzen 2013 © Diana Ramaekers

Diana Ramaekers: Sensing the Light (2015)
Die niederländische Künstlerin Diana Ramaekers wird eine neue, ortsspezifische Installation für die  ¡DARK!-Ausstellung  schaffen.  Bewegung  ist  Teil  auch  ihrer  Arbeit,  allerdings  nicht  durch Verwendung  von  Film  wie  in  Anthony  McCalls  Fall,  sondern  verursacht  durch  zwei  große Spiegel.  Die  Lichtchoreographie  wird  auch  in  diesem  Fall  durch  Kunstnebel  sichtbar  gemacht. Drei  große  Theaterscheinwerfer  und  die  sich  bewegenden  Spiegel  produzieren  eine  große Lichtskulptur,  die  von  den  BesucherInnen  erkundet  werden  kann:  In  der  reaktiven  LichtRauminstallation  Sensing  the  Light  werden  die  BesucherInnen  zu  einem  Teil  der  Lichtbilder, denn  abhängig  von  ihrer  Position  im  Raum  verändern  sie  die  Lichtgebilde.  Das  materialisierte Licht  tastet  sich  langsam  durch  den  Raum,  an  den  Wänden,  dem  Boden  und  der  Decke entlang,  und  streift  hier  und  da  den  Betrachter.  Das  Licht  wird  als  greifbar,  als  dinglicher Körper  erfahren;  es  kommt  den  BesucherInnen  manchmal  zu  nahe.  Hier  wird  deutlich,  dass Licht nicht nur eine poetische, sondern  auch eine kraftvolle und zerstörende Natur annehmen kann.

Regine Schumann Jump! (2012 / 2014) © Flo Fetzer
Regine Schumann: Jump! (2012 / 2014) © Flo Fetzer

Regine Schumann: Jump! (2012 | 2014)
Das  Kunstwerk  Connect,  Back  to  Back  steht  durch  seine  vielfarbige  und  spielerische  Aura  in scharfem  Kontrast  zu  den  übrigen  vollständig  in  Schwarz-Weiß  gehaltenen  Werken  der Ausstellung.  Es  ist  eine  Installation  aus  wellenförmigen  Acrylglasplatten  in  phosphoreszierend blauen  und  fuchsienroten  transparenten  Farbtönen,  die  durch  den  Ausstellungsraummäandern.  Die  Installation  lädt  zu  einem  entspannten  Spaziergang  durch  sie  hindurch  ein, währenddessen  sich  der  Betrachter  mit  neuen  Blickwinkeln,  neuen  Perspektiven  und  neuen Farberfahrungen  konfrontiert  sieht.  Die  Objekte  reichen  bis  auf  Schulterhöhe,  so  dass  die BesucherInnen  das  wellenartige  Labyrinth  überblicken  können.  Die  Acrylplatten  werden  durch die Verwendung von Schwarzlicht akzentuiert, was bewirkt, dass die Objekte Lichtlinien durch den Raum ziehen und infolgedessen zu graphischen Elementen werden.  Die Architektur ist bei Regine Schumann der Ausgangspunkt, die Basis.  Der Raum fordert undbestimmt  all  ihre  Überlegungen  zu  Farbe,  Form,  Licht  und  Inszenierung.  Weitere gestalterischer Elemente wie Tanz und Sprache  ergänzen als logische Konsequenz ihr  Strebennach  einem  Gesamtkunstwerk  und  ergänzen  die  Installation  Connect,  Back  to  Back  zum Kunstwerk Jump!

Vera Röhm Die Nacht ist der Schatten der Erde (2005-heute) © Maurice Cox
Vera Röhm: Die Nacht ist der Schatten der Erde (2005-heute) © Maurice Cox

Vera Röhm: Die Nacht ist der Schatten der Erde (2005-Heute)
Die  Nacht  ist  der  Schatten  der  Erde  ist  eine  ständig  wachsende  Arbeit.  Seit  2005  sind mittlerweile 86 Kuben in 52  Sprachen entstanden. Sprachlicher Ausgangspunkt der  Textkuben ist  ein  Satz  des  deutschen  Gelehrten  Johann  Leonhard  Frisch  (1666-1743).  In  knapper, anschaulicher Form vollzieht Frisch mit dieser Formulierung einen radikalen Perspektivwechsel: Weg  von  den  zahllosen  unterschiedlichen  Nachtatmosphären,  die  je  nach  subjektiven, kulturellen, jahreszeitlichen oder geographischen Gegebenheiten variieren können, hin zu einer kosmischen Betrachtungsweise des Phänomens Nacht. In unterschiedlichen Sprachen – von Deutsch und Französisch über Finnisch und Griechisch bis hin zu Hebräisch und Thailändisch – lässt Vera Röhm den Satz „Die Nacht  ist der Schatten der Erde“  aus den Seitenflächen schwarz lackierter Aluminiumkuben mit einer Kantenlänge von 75 cm  herauslösen.  Jede  Sprache  erhält  dabei  ihren  eigenen  Kubus;  die  mittels  Laser ausgeschnittenen  Sätze  werden  mit  weißem  Mattglas  hinterlegt  und  die  Aluminiumwürfel  von innen  hell  beleuchtet.  So  schimmert  es  dem  Betrachter  in  unterschiedlichen,  für  die  jeweilige Sprache eigens ausgewählten Schrifttypen entgegen. Etwa 20 Kuben werden im Veranstaltungsraum (Säulenkeller) des Museums aufgestellt werden und  so  ein  ‚Wald  aus  Kuben‘  gebildet.  Das  Ganze  stellt  eine  buchstäblich  dunkle  Umgebung dar, in der erleuchtete Schatten glühend strahlen.

Lucinda Devlin Electric Chair, Holman Unit, Atmore,  Alabama, 1991  chromogenic print 100 x 100 cm © Lucinda Devlin  Courtesy: Galerie m Bochum
Lucinda Devlin: Electric Chair, Holman Unit, Atmore,Alabama, 1991
chromogenic print 100 x 100 cm © Lucinda Devlin Courtesy: Galerie m Bochum

Dark II
Lucinda Devlin: The Omega Suites
Dark  II  ist  eine  begleitende  Ausstellung,  kuratiert  von  Galerie  m Bochum

¡DARK!  wird  von  der  Ausstellung  Dark  II  begleitet,  kuratiert  von  der  Galerie  m  Bochum  als Gast im Lichtkunstzentrum Unna. In der begleitenden Ausstellung sind Fotografien aus Lucinda Devlins  Serie  The  Omega  Suites  zu  sehen.  Die  Frage  nach  ‚Licht’  und  ‚Dunkelheit’  erhält  in Devlins  Werken  eine  weiterführende  Bedeutung.  Sie  überschreiten  den  funktionalen  Aspekt von Licht und verweisen auf eine metaphorische Ebene. Die  Künstlerin  fotografierte  zwischen  1991  und  1998  Hinrichtungsräume  in  den  USA.  Lucinda Devlin nahm  Einblick in  Gefängnisse  mit  Exekutionstrakten  und  zeigt  sie in ihren  Arbeiten  als nüchterne  und  klare  Räume.  Die  Fotografien  evozieren  beim  Betrachter  sowohl  Schock  als auch  Faszination.  Die  Bilder  von  Gaskammern,  elektrischen  Stühlen  sowie  Todeszellen verstören und berühren den Betrachter zugleich. Devlins Fotografien regen zu einer Erkundung der Räume mit ihren eigentümlichen Interieurs, der artifiziellen Beleuchtung und ihrer grausam sachlichen Funktionalität an.  The Omega Suites  reflektiert die dunkle Seite einer Gesellschaft, die sich als modern versteht. Die  Fotografien  der  Serie  spiegeln  eine  alttestamentarische,  archaische  und  mittelalterliche Rechtsprechung  –  einen  Widerspruch  zur  modernen  Gesellschaft.  Die  Serie  evaluiert Dunkelheit  nicht  nur  auf  moralischer  Ebene,  das  Dunkle  kann  auch  als  Unsichtbarkeit  oder blinder Fleck verstanden werden. Die Orte, welche in Devlins Fotografien sichtbar sind, bleiben dem  öffentlichen  Blick  meist  verborgen.  Dieser  Aspekt  manifestiert  sich  in  den  zahlreichen Türen,  Toren  und  Vorhängen,  die  in  den  Aufnahmen  zu  sehen  sind.  Devlin  zeigt  bewusst  nur die  Orte  des  Geschehens.  Das  Geschehen  selbst  bleibt  für  den  Betrachter  unsichtbar  und obliegt seiner eigenen Vorstellungskraft.

¡DARK!
26. September 2015 bis 3. April 2016

Zentrum für Internationale Lichtkunst
Lindenplatz 1
59423 Unna

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