THE CHINESE VERSION – JIA @ ZKM

Die chinesische Künstlerin Jia wird in der von Peter Weibel kuratierten Ausstellung Globale: Infosphäre als Featured Artist im ZKM präsentiert.

Das  Werk  der  chinesischen  Künstlerin  Jia,  ausgebildete  Architektin  mit  Studium der  traditionellen  chinesischen  Oper  und  der  Kalligraphie,  umfasst  Malerei, Fotografie und Performance. In ihrer für das ZKM geschaffenen Gemäldeserie The Chinese  Version,  gibt  Jia  industriell  hergestellte  Typografie  künstlerisch  wieder.

Portrait of Jia Copyright and Courtesy of the artist
Portrait of Jia. Copyright and Courtesy of the artist

Auf großformatigen Leinwänden malt sie von Hand chinesische Schriftzeichen und benutzt  dabei  dieselbe  Schriftart,  die  kurz  nach  dem  Aufkommen  der Druckmaschinen  in  China  und  Japan  entwickelt  wurde  und  Erinnerungen  an  die “Mechanisierung  der  ‘perfekt’  durch  die  Maschine  hergestellten  Produkte” wachruft. Die Vereinfachung chinesischer Zeichen begann in den 1950er Jahren und ist eine  kulturelle  Gräueltat,  die  per  Gesetz  bis  heute  in  der  Volksrepublik  China durchgesetzt  bleibt.  Das  Vereinfachungsprogramm  degradierte  nicht  nur  die ästhetischen  Eigenschaften  der  chinesischen  Schriftzeichen,  sondern  verhinderte auch  die  Lesbarkeit  aller  Texte,  ausgenommen  der  aktuell  und  offiziell verabschiedeten. Das Programm setzte damit zwei Aspekte durch: zum einen die willkürliche formale Reduktion der Strichzahl und zum anderen das Verschwinden von  etwa  zwei  Dritteln  aller  Schriftzeichen  aus  dem  Lexikon.  Übrig  blieben  rund ein Drittel, die für eine Veröffentlichung erlaubt waren.

One Hundred Fish, from the series The Chinese  Version 2015 Acrylic on canvas, 200x200cm Copyright and Courtesy of the artist
One Hundred Fish, from the series The Chinese Version 2015. Acrylic on canvas, 200x200cm. Copyright and Courtesy of the artist
Untitled 08, from the series The Chinese Version 2015 Acrylic on canvas, 200x200cm Copyright and Courtesy of the artist
Untitled 08, from the series The Chinese Version 2015. Acrylic on canvas, 200x200cm. Copyright and Courtesy of the artist

In  ihrer  Einzelausstellung,  in  der  die  Künstlerin  und  ihre  Werke  im  Rahmen  der „Infosphere“  der  ZKM  Globale  vorgestellt  werden,  präsentiert  Jia  textgestützte Gemälde  aus  ihrer  Serie  The  Chinese  Version.  In  diesen  Arbeiten  folgen  die Anordnungen  der  Zeichen  formalen  und  keinen  semantischen  Kriterien.  Jedes Zeichen  kann  zwar  eine  individuelle  Bedeutung  haben,  übt  diese  aber  nicht  im
Sinne der Funktion als syntaktischer Einheit innerhalb eines Satzes aus. Diese  Strategie  stattet  die  Schriftzeichen  in  Jia’s  Bildern  mit  einem  formalen Aspekt  aus,  der  “ersetzt”,  was  das  staatlich  verordnete  Programm  als  formale Vereinfachung  der  Schriftzeichen  verschleierte  und  in  Wirklichkeit  aus propagandistischen Gründen verstümmelte.

Die  Arbeiten  der  Künstlerin  Jia  stellen  die  vereinfachten  und  die  “verlorenen” Schriftzeichen  neben-  und  gegeneinander,  die  durch  die  offiziellen  allgemeinen Richtlinien  von  jeder  Veröffentlichung  ausgeschlossen  wurden.  Gerade  wegen ihrer Präsenz in Jias Bildern bilden diese “illegalen” Zeichen eine klare Absage an eine Politik der kulturellen Herabsetzung.

Untitled 07, from the series The Chinese Version 2014 Acrylic on canvas, 200x200cm Copyright and Courtesy of the artist
Untitled 07, from the series The Chinese Version 2014. Acrylic on canvas, 200x200cm
Copyright and Courtesy of the artist
Portrait of Jia Copyright and Courtesy of the artist
Portrait of Jia. Copyright and Courtesy of the artist

Da  Jia  in  einer  Vielfalt  von  Medien  arbeitet,  stellt  sich  die  berechtigte  Frage, warum  sie diese Werke in Gestalt von Gemälden umsetzte. Ein Grund dafür liegt in der Tatsache, dass die traditionellen chinesischen Schriftzeichen eine doppelte Rolle  zu  erfüllen  hatten:  wie  jede  Schrift,  stellten  sie  semantische  Zeichen  und Bedeutungsträger  dar,  aber  anders  als  die  meisten  anderen  Schriften  waren  sie gleichzeitig  auch  piktografische/ideografische  Bildzeichen.  Da  das Vereinfachungsprogramm  aber  diese  Rolle  als  Bildzeichen  auslöschte,  wählte  die Künstlerin  die  Leinwand  als  Bildträger,  um  auf  die  Tatsache  zu  verweisen,  dass ihre  Werke  den  chinesischen  Schriftzeichen  wieder  Bildfähigkeit  aufprägen. Allerdings eine Bildfähigkeit, die allein von der Künstlerin geprägt wird. So  wie  es  nicht  unbedingt  notwendig  ist,  chinesisch  zu  können,  um  die Auswirkungen  dieser  Arbeiten  zu  erkennen,  so  wenig  sind  sie  einfach  nur  eine reine Kritik an den staatlich verordneten kulturellen Zuständen in China.

Jia Untitled 04, from the series The Chinese Version 2013 Acrylic on canvas, 200x200cm Copyright and Courtesy of the artist
Jia, Untitled 04, from the series The Chinese Version 2013. Acrylic on canvas, 200x200cm. Copyright and Courtesy of the artist

Ein  Ausstellungskatalog  für  The  Chinese  Version  erscheint  im  Walther König  Verlag  mit  Texten  von  Oona  Lochner,  Drew  Hammond,  und  Paul Gladston.

Jia. The Chinese Version
Zu Gast im ZKM | Karlsruhe
Ausstellung: 5. September 2015 – 9. Januar 2016
Eröffnung: 4. September 2015, 19 Uhr

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