Im Rahmen der 14. Edition der „Rendez-Vous aux Jardins“, welche in diesem Jahr dem Thema Farbe gewidmet sind, präsentieren die Archives Nationales in ihrer Pariser Dependance STOCKAGE – vanitas rerum eine in-situ Installation von großformatigen Scanogrammen der französisch-brasilianischen Künstlerin Luzia Simons, die dem wiederkehrenden Zyklus des Lebens gewidmet ist. Parallel zu ihrer Pariser Installation wird am 2. Juni 2016 im Museum für Asiatische Kunst in Berlin Dahlem die Ausstellung “Schnittmengen – Zeitgenössische Kunst und die Überlieferung” eröffnet, an der die Künstlerin beteiligt ist. Luzia Simons lebt und arbeitet in Berlin.
Ich versuche in meinen Arbeiten über metaphorische Bezüge nachzudenken, die sehr viel komplexer sind, als eine Eins-zu-eins-Codierung das leisten könnte.
In Paris zeigen Sie über 4,6 m hohe Fotografien in Ihrer in-situ Installation STOCKAGE im Innenhof des Nationalarchivs in Paris. Der Titel Stockage, was so viel wie „Lagerung“ heißt, passt gut zu einem Archiv, wirft aber bei Ihren in einer gewissen Unordnung arrangierten Blumenbildern Fragen auf. Was wird hier gelagert? Wie kam es zum Titel?
Den Titel „Stockage“ verwende ich seit über zehn Jahren für meine großformatigen Scannogramme, von denen es inzwischen hundertfünfundfünfzig gibt. Die in diesem Sammelbegriff enthaltene Anspielung sowohl auf den historisch-kommerziellen und interkulturellen Aspekt der Tulpe als auch auf die behauptete Verwaltbarkeit des Individuums führt im Kontext der französischen Staatsarchive noch einmal zu einer besonderen Dialogqualität – bis hin zu den sehr aktuellen Migrationsfragen. Jeder neue Staatsbürger wird in diesen Archiven registriert.
Inhaltlich bedeutet das „Lagern“ allemal auch so etwas wie ein Bewahren, wenn ich beispielsweise an die schützenden Arkaden denke, die die Begrenzung des Ausstellungsortes bilden. Die „Unordnung“ in meinen Bildern – im Kontrast zur strengen Geometrie der absolutistischen Gartenanlage – ist für mich Teil eines Kreislaufs, eines Dramas, das sich in der Natur ständig ereignet: die üppigste Entfaltung des Lebens neben dem Zerfall zu neuer Erde. Die hoch nuancierte Vergänglichkeit der Farben bei den im Innern der zahlreichen Gebäude gelagerten Folianten war da eine zusätzliche Anregung.
Ihre Bilder bestechen durch eine fast dreidimensionale Tiefe und Lebendigkeit der Blüten. Wie ist das Verfahren zu verstehen, mit dem Sie diese Qualität in Ihren Scanogrammen erreichen?
Der Scanner, der nicht wie das Auge oder der Fotoapparat über eine Linse verfügt, kennt keine Zentralperspektive. Indem er ausschließlich die Fläche seiner Glasplatte abtastet, übersetzt er alles dahinter Liegende ins Zweidimensionale. Ich arrangiere die Blumen direkt auf dem Scanner, oft mit Hilfe von seitlichen Halterungen oder Aufbauten, bisweilen auch von farbigen Hintergründen. Der Eindruck von Tiefe entsteht durch entfernungsbedingte Schärfenunterschiede und vor allem durch extremes Hell-Dunkel. Ein Ergebnis, das sowohl den Pinselstrich der Malerei als auch barocke Theatralisationen assoziieren lässt.
Auch hier gibt es eine kontrastierende Wechselbeziehung zur Platzierung der Ausstellung. Man kann sich vorstellen, wie wichtig in den letzten Jahrzehnten die Technik des Scannens für die Archivierung von Dokumenten geworden ist.
Nachdem ich von meinen Ausstellungen in Peking und Tokyo mit äußerst stimulierenden künstlerischen Erfahrungen zurückgekehrt war, wurde im Jahr 2013 im Museum für Asiatische Kunst ein Projekt angedacht, das jetzt realisiert werden kann.
Es gibt vielleicht eine Art Geistesverwandtschaft. Uta Rahman Steinert sagt: „Die … Blumenmalerei Ostasiens zeigt Blumen und andere Pflanzen häufig ihrer natürlichen Umgebung enthoben und metaphorische Bedeutungen repräsentierend“. Während die quasi zeitlose asiatische Kunsttradition umso nachdrücklicher das Werden und Entstehen sichtbar macht, thematisiert meine Arbeit in den Blumen-Scannogrammen eher Gegenwärtigkeit, Vanitas und Vergänglichkeit, in den Zeichnungen aber vor allem die dabei anklingende Zerbrechlichkeit. Der dynamische Prozess des Zeichnens führt über die Dekonstruktion der Natur zu einer Überhöhung.
Es ist jedenfalls meine künstlerische Absicht, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der asiatischen Kunst erkennen zu lassen und zugleich formale Vergleiche anzuregen.
Vielen Dank Luzia!
Interview: Alexandra Saheb, Ute Weingarten
Luzia Simons
STOCKAGE – vanitas rerum –
In-situ Installation in den Archives nationales – Paris
03.06. – 18.09.2016
Archives nationales
Cour de l’hôtel de Soubise
60, rue des Francs-Bourgeois
75003 Paris
Öffnungszeiten: täglich 8-20 Uhr
Eintritt frei