Über Farbräume und Architektur – Ein Gespräch mit Regine Schumann

Die Architektur ist bei Regine Schumann, die in Goslar geboren würde und in Köln lebt, der Ausgangspunkt ihrer Werke. Der Raum fordert und bestimmt all ihre Überlegungen zu Farbe, Form und Licht. Die Inszenierung ihrer in Unna zu sehenden Arbeit Connect, Back to Back und Jump! zu einem Gesamtkunstwerk wird durch gestalterischer Elemente wie Tanz und Sprache ergänzt.

Regine Schumann © Horst Hamann
Regine Schumann © Horst Hamann

Wie lange dauert der Prozess einer Installation am Beispiel „Jump!“?
Grundsätzlich gibt es keine festen Regeln für den Zeitrahmen. Eine Ideenfindung kann spontan und schnell sein, oder aber sich erst nach monatelangen Änderungsprozessen konkretisieren. Die Realisierung meiner Objekte beansprucht zwischen 2 bis 6 Monate. Die Installation vor Ort hingegen erfolgt mit meinem Aufbauteam häufig innerhalb von wenigen Tagen, weil ich genaue Raumpläne erarbeite und die Hänge- oder Stellposition vorab festlege.

Mit welchen Menschen arbeiten Sie zusammen?
In erster Linie mit meinem Lebenspartner, dem spanischen Schauspieler Carlos Garcia Piedra. Als Künstlerpaar planen und gestalten wir nicht nur unseren Alltag. 2011 haben wir die Gruppe nachtigall:reaction gegründet. In gemeinsamer Erarbeitung wachsen Konzepte zu einem Gesamtkunstwerk zusammen. Meine Installationen werden erweitert durch das Klang-Kunstwerk Achim Mohnés, die experimentelle Performancetanz von Rick Kam und Rebecca Jefferson sowie die Rezitationen von Gedichten (Michel Houellebecqs oder anderer) durch Carlos Garcia Piedra. Einige freie Mitarbeiter arbeiten projektbezogen im Atelier mit oder helfen bei den Realisierungen von Ausstellungen und Auftragsarbeiten vor Ort. Darüber hinaus besteht eine langjährige, intensive Zusammenarbeit mit meinen mich weltweit vertretenden Galerien. In ihren Räumen und in nationalen wie internationalen Ausstellungshäusern sowie auf Messen werden regelmäßig meine aktuellen Arbeiten gezeigt. Nicht zu vergessen sind natürlich die vielen Menschen, die die von mir eingesetzten Kunststoffmaterialien herstellen, verarbeiten, meine Arbeiten mit mir verpacken sowie verschiffen. Die anregenden und inspirierenden Gespräche mit Kritikern, Ausstellungsmachern, Sammlern und Freunden erweitern das künstlerische Zusammenarbeiten.

Verändern Ihre Installationen die Wirklichkeit eines Raumes oder ergänzen sie diesen, indem sie besagten in ein ästhetischeres Licht tauchen?
Ich ergänze durch meine Arbeiten den architektonischen Raum mit leuchtenden Farbräumen mit den verschiedensten Farbraum-»Temperaturen«. Meine Art der Kombination farbiger, fluoreszierender Gläser erstellt ein Farbflimmern, das mit naturräumlichen und damit atmosphärischen Lichteindrücken vergleichbar ist. Mit Schwarzlicht, welches an der Raumdecke des Lichtkunstzentrums
montiert ist, erreiche ich die Entstehung eines oszillierenden Farbraums: zu den Seiten und nach oben hin flimmert die Farbe in blau, türkis, pink und rot. Die transparenten farbigen Platten der Installation „jump“ akzentuieren besonders die Kanten, die wie leuchtende Linien im Raum schwebend erscheinen und dabei durch den Raum mäandern.

Regine Schumann - Jump! (2012 / 2014) © flofetzer
Regine Schumann – Jump! (2012 / 2014) © flofetzer

»Atmosphären sind im Werk kein dekorativer Effekt, sondern eigene lichtreflektorische Realität, die aus dem Ineinander und der Gleichzeitigkeit von sichtbarem und unsichtbarem Licht entstehen. Die Erleuchtungen entstehen nicht aus dem Nichts, sondern in lichten Momenten. In diesen wird unsere Sensibilität für den Glanz der Dinge und ihrer Wahrnehmung geweckt, vielleicht auch erst wieder an deren Existenzen erinnert […].« – Jan Hoet

Genau darum geht es mir: Um diese nahezu unbeschreibbaren Farblichteffekte von Beleuchten, Spiegeln, Glimmen, Durchdringen und Scheinen im Raum, die den Betrachter vereinnahmen.In meiner Arbeit wird dabei das Empathische und Sublime von Lichtkunst mit den Geometrien von Raumkörpern zusammen geführt. Zwischen den beiden Extremen – dem materiellen Farbfeld eines Malers wie Mark Rothko und Barnett Newman und dem entgrenzenden Farblichtraum von James Turell – eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten. Das Material des farbigen und fluoreszierenden Acrylglases spielt hierbei eine wichtige Rolle: der von mir verwendete Werkstoff leuchtet, sobald ihm Lichtenergie zugeführt wird, sei es in Form von natürlichem Tageslicht oder von Kunstlicht. Durch die unterschiedlich farbigen Platten ergibt sich je nach Standort ein Durchleuchten, Schichten, Mischen, Selektieren, Vorführen, Verdecken, Schirmen, Rastern, Filtern. Diese oszillierende Frequenzierung des fluoreszierenden Farblichtes ergänzt und erweitert den gegebenen Raum und verändert, manipuliert ihn gleichzeitig..

Greifen Sie, abgesehen von Entwurfszeichnungen Ihrer Installationen, noch gern zu Stift und Papier beziehungsweise Pinsel und Leinwand?
Zu Leinwand und Pinsel greife ich nicht, aber immer wieder zu Papier, Bleistift und Farben jeglicher Art. Aktuell am liebsten zu fluoreszierenden Sprühfarben. Es entstehen autonome Arbeiten, die besonders unter Schwarzlicht eine eigene Magie entwickeln.

Probieren Sie sich zurzeit an neuen Materialien?
Ja, ständig bin ich neugierig und auf der Suche nach unbekannten Möglichkeiten, sei es innerhalb der Kunststoffherstellung oder sei es, indem ich bewusst andere Materialien auslote und ausprobiere. Aktuell taste ich mich an Glas und Kupfer heran. Mal sehen, was sich daraus entwickeln wird.

 

Regine Schumann - Jump! (2012 / 2014) © flofetzer
Regine Schumann – Jump! (2012 / 2014) © flofetzer

Gibt es einen Raum/Ort für Sie, in welchen Sie gern einmal „Licht ins Dunkle“ beziehungsweise „Farbe ins Spiel“ bringen würden?
„Licht ins Dunkle“ -da fallen mir viele gute Orte ein. Das einzigartige Internationale Lichtkunstzentrum Unna gehört in jedem Fall dazu! Fantastisch auch die Turbinenhallen in der Tate Modern in London – darin/dafür eine Installation mit Performance zu konzipieren! Licht und Farbe – auch ein großes Thema im Museum of Fine Arts in Houston oder in Marfa, in der von Donald Judd gegründeten Chinati Foundation in Texas: Orte, an denen ich einen besonderen spirit verspüre. Eines meiner weiteren Favorites in der Museumswelt stellt auch das Kölner Diözesanmuseum, Kolumba dar. Die chamäleonartige Verwandlung von Raum unter dem Einfluss von Licht und Farbe ist im Kolumba erlebbar, da die Tageslichtbeleuchtung in diesem Museum sehr behutsam ist. Das finde ich großartig; das Kolumba wäre ein genialer Raum für meine fluoreszierenden Arbeiten. Ein ganz besonderer Ort allerdings, um Licht ins Dunkle zu bringen, ist das Weltkulturerbe Bergwerk Rammelsberg in Goslar, ähnlich wie die Zeche Zollverein in Essen. Für Goslar plane ich zusammen mit unserer Künstlergruppe nachtigall:reaction ein Großprojekt mit Installationen, Performances und Theater. Da ich einer Bergarbeiterfamilie entstamme, hat dieser Ort in meiner Biografie einen ganz besonderen Stellenwert.

Webseite Regine Schumann

DARK – Sonderausstellung im Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna
26. September 2015 – 03. April 2016

Die Ausstellung ist bis zum 03. April 2016 im Rahmen der öffentlichen Führungen zu sehen.

Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna
Lindenplatz 1 – 59423 Unna

Interview: Sophia Reitzig

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