Die HALLO Festspiele 2016 werden in einer derzeit kaum genutzten urbanen Struktur stattfinden – dem ehemaligen Kraftwerk Bille in Hamburg. Das Projekt besteht aus einer einjährigen Recherchephase, die sich aus verschiedenen Bausteinen zusammensetzt, das übergeordnete Ziel des Projekts ist die Initiierung eines längerfristigen Nutzungskonzepts für das Kraftwerk Bille. ARTPRESS durfte den Organisatoren der HALLO Festspiele drei Fragen zu ihrem Konzept und ihren Partnern Yes We Camp stellen. Wir sprachen mit den Organisatoren.
Wer und was steckt eigentlich hinter den Hallo Festspielen beziehungsweise dem Projekt Yes We Camp/ Les Grands Voisins? Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Die Hallo Festspiele bzw. der hinter den Festspielen stehende Verein Viele Grüße von e.V. und die französische Gruppe Yes We Camp sind zwei unabhängige Kollektive, die an der Umsetzung sehr ähnlicher Ziele arbeiten. Die in Marseille angesiedelte Gruppe nimmt bei der Umnutzung eines ehemaligen Krankenhauses in Paris die Rolle eines nachbarschaftlichen Knotenpunktes ein: Les Grands Voisins möchte die unterschiedlichen Akteur_innen dort in Kontakt bringen und das Hôpital Saint-Vincent-de-Paul zu einem nachbarschaftlich und für viele Menschen offenen Ort machen. Dies ist nur eines von vielen Projekten der Gruppe, die sich hauptsächlich mit dem Entwurf und Bau temporärer Architekturen befasst, wie zum Beispiel die Gestaltung eines großen Campingplatzes im Sommer 2013 in Marseille.
Hallo beschäftigt sich in Hamburg mit einem ehemaligen Kraftwerk und öffnet mittels kleinerer und größerer Veranstaltungen nach und nach die Türen des lange ungenutzten Ortes. Beide Projekte verbindet die jeweils nachbarschaftlich, künstlerisch-kulturell und selbstbestimmte Vorgehensweise. Im Maßstab 1:1 entwerfen und realisieren beide Gruppen ihre jeweiligen Settings, mal eine Solardusche an der Seine oder ein Amphitheater an der Bille. Die Zusammenarbeit der beiden Kollektive entstand, weil eine Mitstreiterin des Hallo Teams die Arbeiten von Yes We Camp gut kennt und von dem Projekt in Paris erfuhr. Mit der nachbarschaftlichen Ausrichtung des Projektes Les Grands Voisins war von Anfang klar, dass das Aufeinandertreffen beider Gruppe inspirierend sein wird. Und da Hallo immer auf der Suche nach (internationalem) Austausch von Menschen, Methoden, Herangehensweisen, Expertisen und Erfahrungen ist, wurde diese Liaison ins Leben gerufen. Dank der Förderung durch den Fonds Perspektive konnten sich beide Gruppen in diesem Jahr bereits in der jeweils anderen Stadt besuchen und austauschen. Ende August treffen sie erneut aufeinander um unterschiedliche räumliche Situationen für die Festspielwoche zu entwickeln und aufzubauen.
Das Projekt besteht aus verschiedenen Bausteinen, darunter die beiden Hallöchen und die eigentlichen Hallo Festspiele. Wie profitiert das Projekt von diesem Aufbau, wie sieht Euer Konzept aus?
Tatsächlich gibt es noch mehr als zwei Hallöchen – über das Jahr hinweg alle zwei Monate eines. Dabei zieht Hallo an immer andere Ort in der Nachbarschaft des Kraftwerks Bille, das sich im Hamburger Industrie- und Gewerbegebiet zwischen Hammerbrook und Rothenburgsort befindet. Mal informiert, isst und spielt es in einem Imbisslokal, mal im Keller einer Spedition, ein anderes Mal in der Vinylpresse eines Künstlerhauses und im Falle unserer Kooperation mit Yes We Camp im März zum ersten Mal auch außerhalb Hamburgs, nämlich im ehemaligen Krankenhaus Saint Vincent de Paul in Paris. So erschließt Hallo sich und allen Interessierten langsam sein Umfeld und die Nachbarschaft, auch über geografische Grenzen hinaus. Zu diesen Veranstaltungen wird aktiv eingeladen, indem bereits Involvierte interessierte Bekannte mitbringen – also ganz analog. Darüber hinaus haben wir eine ständig wachsende Newsletterliste und senden regelmäßig digitale Postkarten an die Abonnent_innen. Dieses Konzept des Einladens ist eins der Kerninteressen von Hallo; ein sich ständig erweiterndes Netzwerk an Menschen, an Hintergründen und Ideen, das viele Treffen und Proben später in den großen Festspielen Ende August mündet.
Anwohner_innen und Nachbarschaft treffen auf ein Künstler_innen-Kollektiv, um gemeinsam einen Ort zu gestalten. Wie sieht dieser Austausch aus?
Ganz wichtig für die Zusammenarbeit zwischen der Nachbarschaft und dem Hallo Kollektiv ist der Prozess des Kennenlernens, der über das ganze Jahr stattfindet. Dazu gehören die oben beschriebenen Hallöchen und sich daraus entwickelnde Kooperationen und Veranstaltungen wie ein regelmäßig stattfindender Stammtisch in einer naheliegenden alteingesessenen Kneipe, Filmabende und Diskussionsrunden mit einer Stadtteilinitiative, oder die Teilnahme von Hallo an Nachbarschafts-Märkten oder dem Rothenburgsorter Badetag. Hallo klingelt an Türen, fragt, informiert, nimmt ernst und lädt Anwohner_innen und die im Umkreis Arbeitenden immer wieder ein, am Kraftwerk vorbeizukommen. Eine weitere Möglichkeit sich kennenzulernen, ist auch die Suche nach brauchbarem und entbehrlichem Material, das bei den Festspielen verbaut werden kann. Davon gibt es in dem gewerbegeprägten Umfeld viel. Bei den Festspielen werden dann Nachbar_innen sowie alle anderen eingeladen, den Aufbau und die Gestaltung des Geländes und des Kraftwerks mitzugestalten, oder einfach nur anzusehen, was aus den gespendeten Materialien geworden ist. Die Festspielwoche im späten August/Anfang September entsteht und wächst über die Woche hinweg. So entsteht ein sich stets wandelnder Raum, der die in der Nachbarschaft gefundenen Materialien in einen neuen Kontext stellt.
Danke für das Interview!
HALLO Festspiele Hamburg
und Yes We Camp / Les Grands Voisins
Ort: Kraftwerk Bille, Hamburg
29.08. – 04.09.2016
Interview: Laura Kuthan