Jorge Luis Borges und “Der Atlas des Imperiums” – Alfons Hug kuratiert den Lateinamerikanischen Pavillon auf der 55. Venedig Biennale

image

Der lateinamerikanische Pavillon auf der 55. Venedig Biennale steht unter dem Motto „El Atlas del Imperio – Der Atlas des Imperiums“ und wird vom Istituto Italo-Latino Americano mit Unterstützungdes Goethe-Instituts ausgerichtet.

Alfons Hug, der Kurator und Leiter des Goethe Instituts Rio de Janeiro sprach mit ARTPress über die Besonderheiten der Ausstellung.

Sie haben bereits 2011 den lateinamerikanischen Pavillon auf der Biennale di Venezia kuratiert, in welcher Hinsicht kann man die jetzige Ausstellung als Weiterentwicklung Ihres Konzeptes von 2011 verstehen?

Hug: Wenn der Pavillon in 2011 die Frage der Unabhängigkeit der Staaten Lateinamerikas aufwarf, dann geht es dieses Jahr um die engen Wechselwirkungen zwischen Europa und Südamerika von der Kolonialzeit bis heute. Wir haben in diesem Zusammenhang auch mehrere lateinamerikanische Künstler eingeladen, die in Deutschland und Europa leben, und solche, die an Projekten des Goethe-Instituts mitgewirkt haben.

In wie weit findet sich der Titel: “Der Atlas des Imperiums” in den künstlerischen Positionen wieder?

Hug: Ausgangspunkt des Titels war eine Parabel des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges, in der die Geographen eine Landkarte anfertigten, die so groß wie ihr Reich war. Wenn die Kartographen des Kaisers in ihrem Perfektionswahn vergeblich versuchten, Landkarte und Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bringen, dann werden die Künstler nicht immer den kürzesten Weg zwischen zwei Punkten wählen. Sie werden auf ihrer Route Stolpersteine legen und Irrwege einzeichnen. Sie werden Orte entdecken, die nur vorübergehend in Landkarten auftauchen, und andere, die dort endgültig platziert sind.
In ihrer symbolischen Kartographie geht es den Künstlern weniger um topographische Genauigkeit als um punktuelle Beobachtungen von scheinbar nebensächlichen Details der zwischenmenschlichen Beziehungen oder von ruinösen Zuständen der Gegenwart.
Die Künstler betreten die Bühne erst in dem Moment, wo die Wissenschaftler ihr hochmütiges Vorhaben abbrechen und ihre nutzlose Weltkarte den Unbilden der Witterung aussetzen. Gut möglich, dass sie dann wie bei Borges nur noch Bettler vorfinden.

Der lateinamerikanische Pavillon thematisiert die Wechselwirkungen und den aktiven Dialog zwischen europäischer und lateinamerikanischer Kunstszene. In Ihrem Kuratorentext schreiben Sie, dass die gegenseitige Befruchtung nicht folgenlos bleiben wird und sprechen von einer neuen, komplexen Weltsicht, die auch Europa zugute kommen wird. Wie kann sich diese neue Sicht auf die Welt bestenfalls auf Europa auswirken?

Hug: Die zeitgenössische Kunst des Westens war lange von einem unübersehbaren Eurozentrismus geprägt. So stammten bis in die 90er Jahre gut 80 Prozent der Künstler auf der Documenta oder der Biennale von Venedig stets aus NATO-Staaten. Mit dieser selbst gewählten Einseitigkeit schnitt sich Europa von anderen Interpretationen der Welt ab. Glücklicherweise hat in den letzten Jahren nun ein Umdenken eingesetzt, das eine gegenseitige Befruchtung und Bereicherung der künstlerischen Diskurse zulässt.

Ausstellung: 1. Juni – 24. November 2013 | Preview: 29.- 31. Mai 2013 | Eröffnung: 31. Mai 2013, 16.30 Uhr | Ort: Arsenale | Veranstalter: Istituto Italo Latinoamericano, Rom und Goethe-Institut | Kurator: Alfons Hug

Interview: Barbara Green

Leave a Reply