Normand Rajotte: Empreintes / Alfred Ehrhardt: Tierspuren

Der  kanadische  Fotograf  Normand  Rajotte  hat  über  viele  Jahre hinweg  das  bewaldete  Gebiet  um den Mont Mégantic bei Québec mit der Kamera erkundet. Sein Hauptaugenmerk galt dabei  nicht dem  Wald  als  einer  Landschaft,  sondern  vielmehr  dem  Boden und  den  dort  zu  entdeckenden Spuren, welche die Tiere des Waldes hinterließen. Die Serie Comme un murmure  (Wie ein Flüstern) bezeugt die sich mit der Zeit entwickelnde Vertrautheit zwischen Fotograf und Natur, in die er sich während  seiner  Streifzüge  regelrecht  hinein  versenkt.  Insbesondere  jene Aufnahmen  von Tierspuren im feuchten Untergrund erinnern an die bisher nur wenig bekannten  und nun erstmals gezeigten Fotografien  von  Spuren  verschiedener  Meeresbewohner,  die Alfred  Ehrhardt  zwischen 1933 und 1936  in der  Wattregion festhielt. 

Normand Rajotte / Ohne Titel, aus der Serie „Comme un murmure/Like a  Whisper“ 2004, Inkjet print, 94 x 94 cm / © Normand Rajotte
Normand Rajotte / Ohne Titel, aus der Serie „Comme un murmure / Like a
Whisper“ 2004, Inkjet print, 94 x 94 cm / © Normand Rajotte

Die Ausstellung  Normand Rajotte: Empreintes / Alfred Ehrhardt: Tierspuren zeigt eine Gegenüberstellung der Arbeiten von Alfred Ehrhardt und Normand Rajotte, die  sich  beide  den Oberflächenstrukturen  des  Grundes  und  den  dort eingeschriebenen Zeichen tierischen Lebens widmen.

Sowohl Normand Rajotte als auch Alfred Ehrhardt sind Wanderer in der Natur – ob in der Dichte des Waldes oder der Weite des Wattenmeeres.  Fährtensuchern  und Spurenlesern gleich durchstreifen sie das immer gleiche Gebiet, stoßen auf Tierspuren und verfolgen sie mit ihrer Kamera, die auf den Boden gerichtet festhält,  was sich ihnen dort in Nahsicht zeigt. Im Bild gewinnen die Spuren, die sie einfangen, eine graphische Qualität. Wie gezeichnet wirken etwa das Geläuf eines Vogels oder die Bahnen eines Kojoten in Rajottes Schneebildern. Doch nicht immer sind es die physischen Abdrücke der  Waldbewohner,  die  er  aufspürt,  auch  von  Bibern abgenagte  Äste,  in  schlammigem  Wasser schwimmende Kaulquappen oder eine spiralförmig ins Erdreich gegrabene Röhre werden in seinen Bildern  zu  Spuren,  die  das  Leben  auf  und  unter  dem  Waldgrund  präsent  werden  lassen.  Seine genaue Kenntnis  des Gebiets  erzeugt dabei eine Nähe, die sich in seinen Bildern ausdrückt und uns einen  intimen  Einblick  in  die  Natur  gewähren  lässt.  In  Ehrhardts  Aufnahmen  treten  neben  die rhythmische Formung des Wattbodens, entstanden im Rhythmus der Gezeiten, Spuren von Möwen, Seehunden und Wattwürmern, deren Strukturen teils rätselhaft abstrakte Züge annehmen. In ihnen
verbindet er die Strukturexperimente des Neuen Sehens mit seinem am Bauhaus geschulten Gespür für Komposition, Materialbeschaffenheit und Abstraktion.

Alfred Ehrhardt Spur eines Seehundes  1930er/40er Jahre, Silbergelatineabzug, 17,8 x 20,1 cm © Alfred Ehrhardt Stiftung
Alfred Ehrhardt / Spur eines Seehundes / 1930er/40er Jahre, Silbergelatineabzug, 17,8 x 20,1 cm / © Alfred Ehrhardt Stiftung

Von  Beginn  an  wurde  die  Fotografie  selbst  als  Index  oder  Spur  der  Wirklichkeit  verstanden,  als „Emanation  des  vergangenen  Wirklichen“  (Roland  Barthes).  So  lässt  sie  Abwesendes  anwesend erscheinen, wie auch die Spur eine vergangene Gegenwart präsent werden lässt. Sie verweist auf etwas Fernliegendes, das in ihr aufscheint und nah wirkt. Darin ist ihr auch etwas Rätselhaftes, gar Unheimliches  eigen  sowie  eine  Melancholie,  die  jedes Erinnerungsbild  begleitet.  In  ihren Fotografien  erschließen  Normand  Rajotte  und  Alfred  Ehrhardt  eine  Bildwelt,  die  sonst im Verborgenen liegt, sich uns nun aber öffnet und sichtbar wird.

27. Februar bis 24. April 2016
Eröffnung am 26. Februar 2016, 19.oo Uhr
Eröffnungsrede: Dr. Christiane Stahl, Leiterin der Alfred Erhardt Stiftung

ALFRED EHRHARDT STIFTUNG | Auguststr. 75 | 10117 Berlin | +49 (0)30 200953-33, Fax -34 |  Öffnungszeiten: Di bis So
11 – 18 Uhr, Do 11 – 21 Uhr | info@alfred-erhardt-stiftung.de

Normand Rajotte Ohne Titel, aus der Serie „Comme un murmure/Like a  Whisper“ 2009, Inkjet print, 94 x 94 cm © Normand Rajotte
Normand Rajotte / Ohne Titel, aus der Serie „Comme un murmure/Like aWhisper“ / 2009, Inkjet print, 94 x 94 cm / © Normand Rajotte

 

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