Wenn Kunst berührt. Ein Gespräch mit Ute Weingarten, der Gründerin von ARTPRESS

Ute Weingarten_ Foto Jens Komossa
Ute Weingarten Foto: Jens Komossa

Frau Weingarten, Sie haben ARTPRESS vor zehn Jahren gegründet. Damals war es noch weniger selbstverständlich als heute, sich mit einer PR-Agentur selbständig zu machen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Bevor ich ARTPRESS aufbaute, habe ich in Paris für verschiedene Institutionen gearbeitet und hier in Berlin im Kunsthandel und in der Kunstberatung. Es gab dann eine Art Zäsur, als ich meine Tochter bekam. Ich habe verstärkt über meine Zukunft nachgedacht und mir war klar, dass ich etwas aufbauen wollte. Zum selben Zeitpunkt hat sich die Möglichkeit geboten, die Pressearbeit für eine Ausstellung der Berliner Festspiele zu übernehmen. Die Aufgabe schloss sich nahtlos an meine vorherigen Tätigkeiten an. Wenn man eine Arbeit an einen guten Sammler verkauft, muss man sie auch erklären und erfassbar machen, man muss eng mit dem Künstler zusammenarbeiten und auch dessen Werk in einen kunsthistorischen Kontext setzen können. Man muss einen Dialog etablieren, der für anderen Menschen fruchtbar sein kann. Das hat mir Spaß gemacht. So habe ich die Agentur gegründet.

Haben Sie diesen Schritt jemals bereut?

Nein, wenn ich diesen Job gut machen will, muss ich kreativ sein, ich muss ihn spielerisch machen können. Das ist mit einem eigenen Unternehmen sehr viel besser möglich als an einer Institution, die nach bestimmten, unverrückbaren Regeln und Schemata funktioniert. Ich bin immer mit der Überzeugung an die Arbeit herangegangen, dass Menschen von der Kunst, die ich vertrete, viel profitieren können. Wenn man intensiv in den Kosmos eines Künstlers eindringt, lernt man außerdem immer auch etwas über sich selbst. Ich glaube überhaupt, dass die Beschäftigung mit Kunst ein guter Schlüssel sein kann, um herauszufinden, wer man ist. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich mit ARTPRESS viel ausprobieren kann und mich selbst immer wieder auch ein bisschen neu erfinde.

Sie sind in den siebziger Jahren in Köln aufgewachsen, damals noch mehr als heute eines der Epizentren für zeitgenössische Kunst. Hat Sie das beeinflusst?

Ich bin in der Nähe von Köln aufgewachsen. Ich bin also ein typisches, ganz braves Vorstadtkind und habe mich in meiner Jugend am liebsten mit Pferden beschäftigt (lacht). Allerdings ging meine ältere Schwester in Köln zur Schule und kam relativ früh mit Künstlerkreisen in Kontakt. Sie hat mich dann, als ich älter wurde, mitgenommen. Weniger zu Ausstellungen als zu Partys und in angesagte Bars. Diese Art von Leben hat mich total fasziniert Diese Subkultur damals hat mich sehr beeinflusst. Richtig eingetaucht in die Kunstwelt bin ich aber erst in Paris.

Sie haben mehr als 11 Jahre in Paris verbracht, zwischen 1984 und 1995…

Damals hatte die Stadt noch viel vom alten Paris. Es war eine Weltstadt, völlig elitär, gleichzeitig aber irgendwie auch cool. Ich habe an der École du Louvre ganz klassisch Kunstgeschichte studiert. Dort habe ich wirklich das Handwerk gelernt: Bilder und Kunstobjekte grundlegend ästhetisch und phänomenologisch zu betrachten. Da zehre ich heute noch von. Danach bin ich an die Sorbonne gegangen, wo man mehr Wert auf gesellschaftliche und politische Aspekte legte. Das war genauso wichtig für mich. Ich habe viele Praktika gemacht, im Petit Palais gearbeitet und in verschiedenen Galerien, auch für eine Kunstzeitschrift. Es gab eine ganze Bandbreite von Tätigkeiten, die ich ausprobieren wollte. Ich wollte immer praxisnah arbeiten.

Ist Pressearbeit praxisnah?

In jedem Fall. Unsere Arbeit spiegelt ja genau diese Bandbreite wider.

Wir arbeiten mit verschiedenen Sammlern, Künstlern, Stiftungen, Museen und Galerien zusammen. Wir organisieren Veranstaltungen und Führungen, betreuen Publikationen. Die Liste ist lang. Wissen Sie, ich beobachte schon seit langem, wie sich der Fokus der Pressearbeit mehr und mehr vom herkömmlichen Journalismus wegbewegt. Wir konzentrieren uns zum Beispiel auch immer mehr auf den Online-Bereich und bilden uns dort weiter.

Hat sich Ihre Arbeit sehr verändert?

Von 2004 bis 2006 habe ich fast nahezu alle Projekte alleine abgewickelt, aber dann wurde es zu umfangreich und ich habe sukzessive Mitarbeiter dazu geholt. Inzwischen sind wir im Durchschnitt zu sechst und haben zwei Praktikanten. Unsere Räume befanden sich von 2006 bis 2008 am Tempelhofer Ufer dann in der Elisabethkirchstraße von 2008 bis 2014 und seit April 2014 an der Ecke Schönhauser Allee und Danziger Straße. Inzwischen ist ARTPRESS bei einer Struktur angelangt, die es uns ermöglicht, parallel zehn bis zwölf Projekte durchzuführen, und die meisten dieser Projekte wickeln wir in kleinen kreativen Teams ab. Außerdem sind wir über die Jahre immer internationaler geworden, was mich besonders freut. Es kommen mehr und mehr Kunden aus der ganzen Welt zu uns, die hier in Berlin etwas bewegen wollen – aus Frankreich, Russland oder China etwa. Diese Kunden wollen natürlich die deutsche Presse adressieren, sie wollen aber auch eine umfassende Beratung und jemanden, der sie in die hiesigen Netzwerke und Gepflogenheiten einführt. Für solche Kunden bieten wir  immer häufiger Pakete an, zu denen klassische Pressearbeit genauso gehört wie Medienansprache, Beratung, Networking, Positionierung und Vermarktung.

Diese Entwicklung reflektiert natürlich auch den Wandel, den die Kunstwelt in den vergangenen Jahren durchgemacht hat. Wie haben Sie diesen Wandel miterlebt?

Kunst hatte früher noch etwas Selektiveres. Mittlerweile ist sie ein Massenphänomen, was per se weder schlecht noch gut ist. Aber wir setzen uns so manchmal doch einer gewissen Banalisierung aus, fürchte ich. Ich habe das Gefühl, dass wir in der Kunstwelt gerade eine inhaltliche Krise durchleben. Kunst scheint sich heute vor allem auf zwei Lager zu verteilen: Entweder haben wir es mit Arbeiten zu tun, die auf rhetorische und selbstreflexive Art und Weise versuchen, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, sich dabei aber oft von bestimmten ästhetischen und sinnlichen Ansprüchen abkoppeln. Oder wir haben es mit sehr leicht zugänglicher, dekorativer Kunst zu tun, mit einer sehr oberflächenorientierten Kunst, die man auf den ersten Blick ansprechend findet, im nächsten Moment aber schon wieder vergessen hat. Kunst ohne große Relevanz…

Hat das Folgen für Ihre Arbeit?

Das bedeutet für unsere Arbeit, dass wir einfach noch genauer hinschauen als früher. Dass wir uns genauer überlegen, welche Projekte wir annehmen und welche wir ablehnen. Das wir noch mehr darüber nachdenken, was wir vertreten können oder nicht. Das ist manchmal schwierig, aber nötig.

Welche Entwicklungen sehen Sie für ARTPRESS in den nächsten Jahren?

Wir sind in diesem Jahr, passend zum 10-jährigen Geburtstag, in größere Räumlichkeiten umgezogen, die es uns unter anderem erlauben, auch eigene Veranstaltungen auszurichten. Für unsere Kunden können wir so Formate durchführen, die in einem exklusiven Rahmen stattfinden sollen. Wir werden also mehr Pressegespräche bei uns durchführen, mehr Diskussionsrunden und Präsentationen von Künstlern, Werken und Projekten. Insbesondere für unsere ausländischen Kunden, die sich in Berlin vorstellen und sich gezielt an Presse und Szene wenden möchten, ist das interessant. Wir  übernehmen die Gesamtkoordination vom Catering bis zur Moderation. Darüber hinaus möchten wir uns stärker redaktionell etablieren. Unser BLOG entwickelt sich zunehmend zu einem spannenden Forum und wir möchten dies weiter entwickeln. ARTPRESS soll noch stärker zu einer Plattform für den Austausch über und mit Kunst werden. Und was zu den neuen Räumlichkeiten noch zu sagen ist: Wir können jetzt sogar gemeinsam Yoga machen  – das ist wirklicher Luxus, finde ich.

Das ist eine gute Überleitung zur letzten Frage. In einem anderen Zusammenhang haben Sie Kunst kürzlich als „Energiespeicher“ beschrieben, als etwas sehr Essentielles also, als eine Art der Motivation…

Wenn es eine fruchtbare Begegnung mit einem Werk gibt, habe ich das Gefühl, dass mich Kunst auf so vielen verschiedenen Ebenen erfasst oder berührt, wie es bei keiner anderen kreativen Form der Fall ist. Ich muss da zum Beispiel an Positionen von Kurt Schwitters denken, von Agnes Martin, Fischli-Weiss oder Baldessari. Von ihnen allen stammen Arbeiten, die mir unheimlich viel bedeuten. Erfahrungen, die ich nicht missen möchte. Wenn Kunst gut ist, kann sie mich regelrecht in einen anderen Zustand transportieren.

Interview: Daniel Schreiber

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