In Ihrer Ausstellung haben Sie eine Auswahl an Werken getroffen, welche die verschiedensten Naturformen darstellen. Von den fast industriell eingeschlossenen Pflanzen bei Rainer König bis zu den abstrakt wirkenden Nahaufnahmen von Jitka Hanzlová. Was macht für Sie eine Darstellung von Natur aus und wieso haben Sie sich für diese Auswahl entschieden?
Die Einladung der Alfred Ehrhardt-Stiftung zur Komposition einer Fotografie-Ausstellung zum Thema Natur – letzteres ergibt sich aus der Persönlichkeit und dem Werk des Namensgebers der Stiftung, des großen Fotografen und Filmemachers Alfred Ehrhardt – ließ mich zunächst an eine Ausstellungsidee anknüpfen, die ich vor einigen Jahren unter dem Titel “Wildnis wird Garten wird Wildnis” für die Art Cologne kuratiert habe. Gern hätte ich auch hier eine fotografische Kontinuität von der frühen Moderne mit Eugène Atget und Karl Blossfeldt über die Neue Sachlichkeit etwa in den Landschafts- und Naturaufnahmen von August Sander oder Alfred Renger-Patzsch bis zur zeitgenössischen Fotografie zusammengestellt. Es ergab sich aber anders: wir haben eine kleine, dichte und poetische Schau aus Arbeiten berühmter wie wenig bekannter Künstlerinnen und Künstler komponiert, unter denen manche Leihgaben aus meinem eigenen Archiv kommen, denn wenn, dann habe ich Bilder der Natur gesammelt! So wurde “Naturzeichenzeichnen” auch zu einer persönlichen Danksagung an Freunde und Weggefährten aus fast vierzig Jahren Arbeit für die Bewußtmachung der Fotografie als grafischer Kunst.
Sie pflegen in Bad Belzig Ihren persönlichen Garten, den Sie auch für Besucher öffnen. In wie fern sehen Sie die Fotografie als Möglichkeit Natur auch außerhalb solcher Rückzugsorte zu erfahren?
Die Fotografie, die sich der Poetik und der Formenwelt von Natur widmet, schließt nahtlos an die Welt des Zeichnens und Aquarellierens an, der wir in den Arbeiten der großen Forschungsreisenden, der Botaniker wie der Garten- und Pflanzenliebhaber vergangener Zeiten begegnen. Fotografie kann sowohl – auch in der Schwarzweiß-Fotografie! – den Duft und die Farbigkeit, die Konstruktion und die Formschönheit von Pflanzen, Tieren, Steinen, Sand, Wasser und dem Wolkenhimmel darüber exakt beschreiben als auch Erinnerungen an subjektiv erlebte Glücksmomente angesichts dieser unvergänglichen und nie versagenden Vielfalt evozieren. Auch subjektivste Naturansichten lassen erkennen, dass da jemand ergriffen worden ist.
Sie waren Leiter der Fotografischen Sammlung der Berlinischen Galerie und haben selbst eine große persönliche Bibliothek aufgebaut. Das Sammeln scheint für Sie eine Passion darzustellen. Wie haben Sie früher und wie sammeln Sie heute?
Früher, als ich noch in einer großen Berliner Wohnung lebte und in der Akademie, später in der Berlinischen Galerie arbeitete, sammelte ich Bücher – als Arbeitsmaterial und aus Lust am Lesen großer Literatur. Bilder habe ich hauptsächlich “dienstlich” gesammelt – siehe die Fotografische Sammlung des genannten Museums. Als ich 1977 Hannah Höch in Heiligensee besuchte und sie mir ihren Garten vorführte, begegnete ich in ihr einer Sammlerin von Pflanzen als Medium für die Erinnerung an Freunde, Orte, Ereignisse. Ähnlich halte ich es mit dem eigenen Garten, den ich seit über zehn Jahren bearbeite. Da ich kein gelernter Gärtner bin, komme ich ohne das Sammeln und Einsammeln von Erfahrung nicht aus: heute weiß ich, dass “Gärtner” ebenso wenig lehrbar ist wie “Künstler”: man hat’s oder hat’s nicht.
NATURZEICHENZEICHNEN
4. Juli bis 13. September 2015
Eröffnung: Freitag, 3. Juli 2015 um 19 Uhr
Eröffnungsrede: Janos Frecot
Eine Ausstellung kuratiert von Janos Frecot mit Arbeiten von Fritz Brill, Hedwig Bornemann, Arno Schmidt, Rainer König, Amin El Dib, Heidi Specker, Dieter Appelt, Gabriele Kostas, Hanns Zischler, Michael Schmidt, Hans W. Mende, Floris M. Neusüss, Jitka Hanzlová, Loredana Nemes und Nanne Meyer
ALFRED EHRHARDT STIFTUNG
Auguststr. 75 | 10117 Berlin
Öffnungszeiten: Di bis So 11 – 18 Uhr, Do 11 – 21 Uhr