Mansure Najarpour – wie die iranische Künstlerin zeitgenössische Keramik interpretiert

Die Ausstellung CALL ME ANYTHING BUT ORDINARY ist eine Hommage an die Keramik aus dem iranischen Raum und schlägt eine Brücke zwischen Orient und Okzident, die Tradition und Moderne auf lebendige Weise miteinander verbindet. Die herausragenden und vielfältigen Leistungen der mittelalterlichen Keramiker werden in Dialog gesetzt mit zeitgenössischer Kunst aus Deutschland und dem Iran. Neben Jörg Ahrnt (*1965) erweitert eine zweite zeitgenössische Position den Blick auf die historischen Exponate: Mansure Najarpour (*1990).

Mansure Najarpour und Jörg Ahrnt. Foto: Courtesy ARTPRESS – Ute Weingarten

Najarpour ist eine iranische Künstlerin aus Isfahan, die sich experimentellen Brenn- und Glasurtechniken verschrieben hat, ergänzt mit ihrem Werk die Ausstellung um zeitgenössische iranische Töpferkunst. Ihre Inspirationsquelle ist die Experimentierfreude und Freigeistigkeit der mittelalterlichen iranischen Keramiker. Die Textur und Farbgestaltung ihrer Arbeiten zeigen zugleich eine starke Verbindung zur Natur wie zu historischen Orten des Iran, und schaffen so eine Verbindung zur Gegenwart.

Ausstellung:
CALL ME ANYTHING BUT ORDINARY | Ceramics from medieval & modern Iran
Laufzeit: 12.09. – 30.11.2019
Studio X-Berg der Bumiller Collection | Naunynstraße 68, 10997 Berlin
www.the-bumiller-collection.com


Waren keramische Objekte damals im Kontext von Lifestyle – im Sinne von kurzweiligen Trends – zu verorten oder waren sie aufgrund der Materialeigenschaften eher als zeitlos angesehen und für welchen Gebrauch waren sie gedacht?

Gerade im 12. und 13. Jahrhundert, als zahlreiche Dekortechniken weiter- und neu entwickelt wurden, kam es zu Trends, die einige Jahrzehnte anhielten. Vor allem in den Stilen, die sich gut in bestimmte Jahrzehnte einordnen lassen. Es gibt allerdings auch zeitlose Themen, vor allem die aus höfischem Kontext, wie Bankett-, Jagd- und Musikszenen. Die großen, monumental verzierten Teller dienten bei Gastmählern zum Servieren von Speisen. Der Dekor, hier ein Hase singulär dargestellt, kam auch in Jagdszenen vor. Es zeigt, welche Nahrungsmittel auf dem Speiseplan standen. Darunter war Wild, das auf der Jagd erlegt wurde.

BC 5787 Schale mit Hase Keramik mit dreifarbiger Unterglasurmalerei Nord-Iran, 11.-12. Jahrhundert. Foto: Jürgen Strahm

Welche Attribute der heutigen Keramik-Kunst wurden von damaligen Modellen im Iran abgeleitet – bzgl. Oberflächenbeschaffenheit, Farbgebung, Form?

Die heutige Keramik ist in der Regel nicht so vielfältig wie im Mittelalter. Auf dem Markt findet man hauptsächlich die reliefierten, polychromen Keramiken, vor allem Fliesen, wie sie im 19. Jahrhundert hergestellt wurden. Die in der Ausstellung präsentierte Künstlerin Mansure Najarpour bildet einen erstaunlichen Kontrapunkt zu dieser kommerziellen Eintönigkeit. Sie experimentiert mit Brenntechniken und Dekormateralien. Gleichzeitig ist sie inspiriert von den vielfältigen alten Techniken, die heutzutage ihresgleichen suchen.

Erklären Sie anhand des Objekts den sozialen Aspekt von Keramik zur damaligen Zeit, also im 12.-13. Jahrhundert. Inwiefern hat sich dieser gewandelt ­– welche Rolle spielt Keramik heute in der islamischen Kultur bzw. zu sozialen Anlässen? Waren solche Objekte damals eher für repräsentative Zwecke gedacht, also eher selten im Gebrauch, oder tagtäglich in Benutzung?

Krüge sind für die Aufbewahrung und Verwendung von Flüssigkeiten gedacht. Da die Waschung im Islam ein fester Bestandteil des Gebetsrituals ist, musste man auf Becken und Krüge zurückgreifen, wenn kein Brunnen vorhanden war. In ländlichen Gegenden wird bei größeren Einladungen immer noch ein Becken und ein Krug gereicht, um sich die Hände vor der Mahlzeit zu waschen. Krüge gibt es in allen Qualitäten. Ein so schönes, glasiertes Exemplar mit gemodelter Oberfläche war sicher ein repräsentatives Stück, das zu besonderen Anlässen herausgeholt wurde, oder in einem gehobenen Haushalt verwendet wurde.  

BC 2127 Kanne Quarzfritte, türkis glasiert Iran, 11.-12. Jahrhundert. Foto: Jürgen Strahm

Welche Rolle spielt das auffällige Türkis bei diesem Objekt, gab es eine entsprechende Farbsymbolik?

🙂 Gerne möchte man einen Farbsymbolik in das Türkis hineininterpretieren, das sehr häufig vorkommt. Belege gibt es nicht, aber das „Auge“, das als Amulett getragen vor dem bösen Blick schützen soll, ist ein Türkis. Möglich, dass man sich sicherer fühlte mit türkisfarbenem Geschirr. Fakt ist aber auch, das türkise Glasur sich sehr einfach herstellen lässt und die ältesten glasierten Objekte türkis glasiert waren. 

Mansure Najarpour. Foto: Courtesy the Artist

Inwiefern ist der Entstehungsprozess Mansure Najarpours an die traditionellen Techniken aus dem alten Iran angelehnt?

Mansure ist in erster Linie von der unglaublichen Vielfalt an Herstellungstechniken der mittelalterlichen Keramik fasziniert. Doch die Erforschung der Brenn- und Dekortechniken ist ein Desiderat. Es gibt noch viele Rätsel, die nur mit naturwissenschaftlichen Methoden und experimenteller Archäologie entschlüsselt werden können. Mansure Najarpour experimentiert mit traditionellen Brenntechniken, wie Raku – bei der nach dem Erstbrand die Keramik dem Ofen entnommen wird und dann meist in organisches Material eingepackt wird, bis es abkühlt. Das organische Material wirkt auf die Oberflächenstruktur der Keramik und ist damit Bestandteil der Gestaltung.

Hormoz Island 2017, Irdenwaren, poliert mit Eisenoxidglasur und Rosshaar. Gebrannt in Raku-Technik. Foto: Courtesy The Bumiller Collection and the Artist

Was hat die Insel Hormoz Island am Persischen Golf mit diesem Objekt zu tun, welches denselben Titel trägt?

Die Insel Hormoz ist eine kleine unbewohnte Insel im Persischen Golf. Bekannt ist sie für ihre bizarren Felsformationen, die an fantastische Tiergestalten erinnern. Da ist zum Beispiel das „Tal der Drachen“. Das Objekt „Hormoz Island“ erinnert mit seinem rötlich braunen Erdton an diese Felsen. Das Objekt ist in Raku-Technik und mit Pferdehaaren gebrannt, die ihre Spuren auf der Oberfläche hinterlassen haben. Es ist ein sehr archaisch-naturverbundenes Objekt. 

Wo sehen Sie den Übergang zwischen künstlerischem Handwerk und freiem künstlerischem Schaffen am Beispiel von Mansure Najarpour – besteht diese Trennung heute überhaupt noch?

Mansure Najarpour beherrscht ihr Handwerk und hat darin eine solide Ausbildung absolviert. Auf dieser Grundlage kann sie das reine Handwerk hinter sich lassen und ungeahnte Möglichkeiten von Material und Technik ausschöpfen. Sie experimentiert mit feinst gesteuerten Eingriffen oder Veränderungen im Material und macht sich damit das Material gefügig und erreicht z.B. ganz neue Oberflächeneffekte. Sie sind das Ergebnis von handwerklichen Prozessen, die durch Najarpours Zutun modifiziert werden.

Foto: Courtesy ARTPRESS – Ute Weingarten

Worin wiederum ist Najarpours künstlerische Originalität zu erkennen, konkret auf das Objekt HORMOZ ISLAND bezogen, nach der gleichnamigen Insel am Persischen Golf benannt?

Für dieses Projekt hat Najarpour die Raku-Technik gewählt, weil sie zum Experimentieren geradezu herausfordert. Die vollkommen unberührte Insel steht für Natur in ihrer Reinform. Für den Brennvorgang im Raku braucht man organisches Material. Hier hat sie Rosshaar gewählt, das seine Spuren auf der Oberfläche des Objektes hinterlässt. Vielleicht ähnlich, wie die Witterung die Insel Hormoz über die Jahrtausende geformt hat, ohne das ein Mensch dies beeinflusst hat. 

Kennen Sie weitere weibliche zeitgenössische Positionen aus dem Iran, welche einen ähnlichen Transfer schaffen, vielleicht sogar eine ganze Bewegung junger Künstlerinnen?

Mansure Najarpour vertritt eine starke Verbindung zu ihrer Heimat. Ihre Herstellungstechniken sind aufwändig und vielfältig, der Werkstoff denkbar einfach: Erde und Wasser. Damit schafft sie eine Verbindung zur Natur ihres Landes. Das Land ist riesig und besitzt die verschiedensten Naturgebiete: Berge, Wüste, Meer, Wälder. Es ist einfach alles da, allerdings ist es den meisten – auch den Iranern – weitgehend unbekannt. Mit ihrer Kunst möchte Sie auf diese Vielfalt aufmerksam machen und eine Achtsamkeit wecken. Das mag jetzt nicht nach einem aktuellen Diskurs klingen. Zahlreiche Naturdenkmäler, die Najarpour in ihren Werken zitiert, sind aber von Umwelteinwirkungen bedroht und es bestünde Handlungsbedarf. Die iranische Gesellschaft ist zumindest in weiten Teilen (noch) nicht empfänglich für dieses Thema.

Dr. Verena Daiber. Foto: Courtesy ARTPRESS – Ute Weingarten

Vielen Dank für das Gespräch, Dr. Verena Daiber.

Ein Interview von Eva Karl

 

THE BUMILLER COLLECTION und SAMMLUNG LUSCHEY 

Manfred Bumiller trug zwischen 1981 und seinem Tod im Jahr 2018 die weltweit umfangreichste Sammlung historischer Metallarbeiten des 7. bis 17. Jahrhunderts aus dem iranischen Raum zusammen. Ergänzt wird die über 6.300 Objekte umfassende Sammlung von einer Reihe hochwertiger Keramikarbeiten, die sämtliche Gattungen iranischer Töpferkunst umfasst. Die Sammlung Luschey ist als Dauerleihgabe der Universität Bamberg im Universitätsmuseum in Bamberg untergebracht. 

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