Remembering the Future – Galerie Ursula Walter und TU Dresden

Was passiert, wenn man Künstler*innen und Wissenschaftler*innen zusammenbringt, die sich beide intensiv mit Werkstoffen und Materialien, auch im übertragenen, immateriellen Sinne, beschäftigen? Für das Projekt Remembering the Future öffneten Sammlungen und Institute der Technischen Universität Dresden und der außeruniversitären Institute und Einrichtungen von DRESDEN-concept e.V. den eingeladenen Künstler*innen ihre Türen. Seit ihrer Gründung 1828 ist die Universität berühmt für ihre Materialforschung. Bis heute arbeiten, lehren und forschen viele Institute zu diesem Thema. Auch die (historischen) Lehrsammlungen der Kustodie zeugen von dieser Tradition. Ausgehend von der Frage nach Wirkung und Bedeutung, nach Funktionalität, praktischer Anwendung und dem Umgang mit Material und Werkstoffen – genuin künstlerischem wie Bronze, Ton, Holz, Stein versus alltäglichen und neuen Materialien wie Faserverbundstoffe oder Textilbeton –, sind bildhauerische, fotografische und installative Arbeiten entstanden, die neue, zukünftige Möglichkeiten des Umgangs mit Material aufzeigen.

Die kuratorische Leiterin Gwendolin Kremer und die Galeristen Patricia Westerholz und Andreas Kempe beantworten unsere Fragen zu diesem tollen Projekt, das durch den Fonds Perspektive des Bureau des arts plastiques unterstützt wird.

Roland Görgen
Beholding the Gaze. 2017
Filmstill; Video HD, 25 Min.
Courtesy of the artist

1. In „Remembering the Future“ haben sich die eingeladenen Künstler mit den technisch-historischen Universitätssammlungen der TU Dresden auseinandergesetzt. Knüpft das Projekt hier an alte Traditionen an? Worin sehen Sie das Potenzial im Austausch von Naturwissenschaften und den Bildenden Künsten?

Gwendolin Kremer, Kuratorische Leiterin Ausstellungshaus, Altana Galerie, der TU Dresden:

Die 17 Künstler*innen wurden eingeladen, in unseren Lehrsammlungen, aber auch Forschungsinstituten im Austausch mit Wissenschaftler*innen zu arbeiten.

Das Projekt greift in der Tat eine lange Tradition auf. Schon zu Beginn der Moderne mit Carl Gustav Carus, Maler und Arzt in Dresden, gab es wichtige Verbindungen zwischen Kunst und Naturwissenschaften. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden im Zuge der universitären Neubebauung viele Künstler eingeladen für Gebäude der Universität Kunst am Bau zu entwickeln. So hat der große Dresdner Konstruktivist Hermann Glöckner schon in den späten 1950er Jahren raumbezogene „Säulen zur Farbenlehre“ für das Physikgebäude entworfen. In unserem Kunstbesitz finden sich darüber hinaus viele Gemälde und Grafiken, deren Sujets Bezug auf die Wissenschaftsgeschichte der Universität nehmen.

Mit „Remembering the Future“ überführen wir die Interdependenz von Kunst und Wissenschaft in die Gegenwart. Wir zeigen, dass die Zusammenarbeit für beide Seiten fruchtbar ist, wenn unsere Lehrobjekte oder neue Materialien Thema einer künstlerischen Arbeit werden, die unabhängig oder auch abhängig vom Kontext eine eigene künstlerische Praxis sichtbar macht. Es geht explizit nicht um ein beschreibendes Nebeneinander von Kunstwerken und Beispielen aus der Wissenschaft, sondern um einen differenzierten Blick auf ihre Verflechtung. Wir wollen Kunst und Wissenschaft weder vergleichen noch gleichmachen. Die Materialien und die Auseinandersetzung damit sind entscheidend, gleichzeitig sollen die einzelnen künstlerischen Positionen als solche erkennbar bleiben. Nur so kann echter Austausch stattfinden.

Guillaume Barth
L’Arbre à l’envers / The Reversed Tree (2017) 
3D Animation ohne Ton; 2 min. Loop von Giles Dillenseger
Leihgabe des Künstlers
In Kooperation mit Prof. Dr. Karl-Heinz Feger, Professur für Standortslehre und Pflanzenernährung, Institut für Bodenkunde und Standortslehre, Fachrichtung Forstwissenschaft, TU Dresden

2. Von März bis Juli 2017 haben die Künstlerresidenzen auf dem Campus der TU Dresden stattgefunden. Wie betrachten Sie das Projekt im Rückblick?

Andreas Kempe, Galerie Ursula Walter, Dresden:

Derzeit befinden wir uns in der intensivsten Phase des Projektes, da zum aktuellen Zeitpunkt alle Ergebnisse zum ersten Mal für uns sichtbar werden und in der Ausstellung zusammenfinden. Die Auswertung der Residenzen ist durchweg positiv. Im Rückblick betrachtet zeigt sich, dass das Projekt in seiner Grundlage weitergeführt werden kann und sollte. Es erscheint uns wie die erste Runde oder Phase eines längeren Prozesses. Die Künstler*innen haben in den verschiedensten Bereichen kooperiert und in einer zweiten Phase ist es gut vorstellbar, gezielt und konzentriert Kooperationen auszubauen bzw. weitere einzufädeln.

Für uns als Kuratoren war die Begleitung des Projekts so spannend, weil es weniger um ein konkretes Ergebnis, als um eine prozesshaft angelegte Zusammenarbeit ging. Wer arbeitet mit welchem Material, wie werden bisherige Praxen neu interpretiert oder gar über Bord geworfen? Was passiert in dem Austausch genau?

Kuratorenteam Remembering the Future: Andreas Kempe, Patricia Westerholz (Galerie Ursula Walter, Dresden) Gwendolin Kremer (Kustodie TU Dresden) v.r.n.l.
Foto: Adrian Sauer

3. Welche Erkenntnisse ziehen Sie aus dem deutsch-französischen Austausch?

Patricia Westerholz, Galerie Ursula Walter, Dresden:

Kunst ist und denkt genau wie die Forschung global. Die Beiträge der französischen Künstler und Künstlerinnen bereicherten das Projekt durch ihren frischen Blick und ihre Begeisterungsfähigkeit-eine Win-Win-Situation entstand, die sich exemplarisch an dem Straßburger Künstler Roland Görgen abbilden lässt. In seinem dreiwöchigen Aufenthalt im Frühjahr 2017 in Dresden besuchte Görgen verschiedene Lehrsammlungen wie die Sammlung Farbenlehre, Getriebemodell-Sammlung, Sammlung Technisches Design, Sammlung Historische Elektromaschinen, Medizinhistorische Sammlungen u. a.

Schlussendlich befasste sich der französische Künstler insbesondere mit der Sammlung Gastgeschenke, die die nationalen und internationalen Beziehungen der TU Dresden zu akademischen Einrichtungen, Industrieunternehmen und Körperschaften in zahlreichen Staaten aller Erdteile dokumentiert und vor allem die Zeit der DDR abbildet. Für seinen Film Beholding the Gaze entnahm er die Gastgeschenke aus ihren aufwändigen Verpackungen und Kisten, arrangierte diese neu und fotografierte sie. Seine Notationen dieser spezifischen Sammlung bringen die „verborgenen“ Objekte, historische und aktuelle Zeugnisse bilateraler Verbindungen, wieder ans Licht und kontextualisieren sie. Ähnlich ließen sich die Arbeitsvorhaben von Elise Alloin, Matt McClune und Guillaume Barth anführen, die bereits in ihrem Werk stark materialbezogen arbeiten, aber hier vor Ort neue künstlerische Ideen und Praxen einbringen konnten.

 

Gwendolin Kremer ist Kunsthistorikerin und Kuratorische Leiterin der Altana Galerie. Als Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kustodie der TU Dresden ist sie zuständig für Kunstbesitz und Gestaltung. Sie hat das Projekt „Remembering the Future“ initiiert.

Andreas Kempe und Patricia Westerholz sind Galeristen und Künstler. Sie sind Leiter und Mitbegründer der Dresdner Galerie Ursula Walter am Neustädter Markt und Träger des Projekts „Remembering the Future“.

 

REMEMBERING THE FUTURE

Ausstellungsprojekt der Kustodie der TU Dresden in Kooperation mit der Galerie Ursula Walter und Studierenden der Hochschule für Bildende Künste Dresden

Élise Alloin, Guillaume Barth, Björn Braun, Manuel Frolik, Moritz Simon Geist, Roland Görgen, Bertram Haude, Olaf Holzapfel, Jens Klein, Amelie Marei Löllmann, Johannes Makolies, Matt McClune, Christoph Rodde, Cindy Schmiedichen, Su-Ran Sichling, Karen Weinert, Barbara Wille

 

16. September 2017 bis 26. Januar 2018

Altana Galerie im Görges-Bau

Ausstellungshaus der Kustodie der TU Dresden

Helmholtzstraße 9, 01069 Dresden

Öffnungszeiten: Mo bis Fr: 10 bis 18 Uhr

www.tu-dresden.de/kustodie

 

15. September bis 22. Oktober 107

GALERIE URSULA WALTER

Neustädter Markt 10

Am Goldenen Reiter, 01097 Dresden

Öffnungszeiten: Do 16 – 19 Uhr, Fr – So 15 – 18 Uhr

www.galerieursulawalter.de

 

Projektleitung: Gwendolin Kremer, Kuratorische Leiterin, Ausstellungshaus der Kustodie (Altan Galerie, TU Dresden

Kuratorenteam: Gwendolin Kremer, Andreas Kempe und Patricia Westerholz, Galerie Ursula Walter, Dresden

gefördert von DRESDEN-concept e.V., PERSPEKTIVE ‒ Fonds für Zeitgenössische Kunst&Architektur und der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, Amt für Kultur und Denkmalschutz der Landeshauptstadt Dresden

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