„Free Music Productions / FMP: The Living Music” Kurator Markus Müller im Interview

Die Ausstellung „Free Music Production / FMP: The Living Music“ widmet sich der Geschichte des Musiklabels Free Music Production (FMP), das von 1968 bis 2010 als Berliner Plattform für die Produktion, Präsentation und Dokumentation von Musik aktiv war.
Weil der Saxofonist Peter Brötzmann den Veranstaltern der Berliner Jazztage (heute Jazzfest Berlin) nicht garantieren konnte, dass seine Gruppe in schwarzen Anzügen auftreten würde, und deshalb wieder ausgeladen wurde, organisierte er 1968 zusammen mit dem Bassisten  Jost Gebers das erste Total Music Meeting (TMM). Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich FMP zu einem internationalen Brennpunkt für aktuelle, zu Beginn teils heftig umstrittene improvisierte Musik. Bereits 1969 begann auch die Dokumentation der Musik auf Schallplatten. Als erstes westliches Label nahm FMP auch Musiker aus der DDR sowohl in Ost- als auch in Westberlin auf. Die gesamte Tonträgerproduktion von annähernd 500 Einspielungen auf FMP und seinen Sublabeln hat mittlerweile Kultstatus.

Eine Ausstellung im Rahmen des aktuellen Programms “Underground und Improvisation. Alternative Musik und Kunst nach 1968” in der Akademie der Künste, Berlin in Kooperation mit dem Haus der Kunst, München.
Kuratiert von Markus Müller. Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und Goethe-Institut.

 

Free Music Production / FMP: The Living Music


Laufzeit: 15. März – 6. Mai, 2018
Akaddemie der Künste
Hanseatenweg 10
10557 Berlin


Was ist/war FMP und was war das Besondere daran?

Die Free Music Production (FMP) ist 1969 als Musikerinitiative entstanden – mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen und Einkommensverhältnisse zu verbessern. Eine Zeitlang war FMP auch ein Kollektiv. Alle auftretenden Musiker erhielten die gleiche Gage, veranstalteten ihre Konzerte selbst und entwickelten die Formaten, in denen sie vor Publikum auftreten wollten. Vom Layout der Plakate bis zu den Flyern und Plattencovern wurde alles in Eigenregie designt. Der Geist des „Do it yourself“ war eine zentrale Arbeitsweise von FMP, das hat Ende der 19070er Jahre auch die Punks an FMP interessiert. Die FMP hat ihre Arbeit früh um afrikanische und andere nichteuropäische Volksmusiken, aber auch Kooperationen mit Tänzern wie Pina Bausch, Min Tanaka, Ōno Kazuo, Christine Brunel, bildende Künstler wie Tomas Schmit, Martin Kippenberger, Albert Oehlen, A. R. Penck und Günther Förg oder Literaten wie Günter Grass erweitert.

 

Cecil Taylor, Günter „Baby“ Sommer, Improvised Music II, 1988 Foto: Dagmar Gebers © Dagmar Gebers/FMPPublishing

 

Wer sind die wichtigsten Figuren von FMP?

Peter Brötzmann hat das Saxophonspielen revolutioniert und tourt bis heute durch die Welt.Bis in die 1960er Jahre galt Jazz als Musik, die eigentlich nur von US-Amerikanern gespielt werden konnte. Deutsche oder europäische Musiker würden nur kopieren. Mit der Generation um Brötzmann verstummte dieser Vorwurf, auch weil er eine ganz eigene Art des Spielens erfand und weltweit Zuhörer begeisterte. Immerhin bezeichnete  Bill Clinton ihn als einen seiner Lieblingssaxophonisten.

Jost Gebers, ursprünglich Bassist, war von Anfang an dabei und führte ab 1976 die Geschäfte, bis heute betreut er das FMP-Archiv in Borken in Nordrhein-Westfalen. Er spielte allerdings nur bei den ersten Konzerten. Er beantragte beim Berliner Senat Gelder, organisierte die Konzertauftritte und machte die Programmhefte. Dabei bemühte sich die FMP immer um absolute Transparenz. In den frühen Programmheften, zum Beispiel zum Workshop in der Akademie der Künste am Hanseatenweg, sind die Ausgaben und Einnahmen, auch die Verluste, präzise benannt. Gebers kümmerte sich um FMP in seiner Freizeit und organisierte hunderte von Konzerten und Schallplattenaufnahmen. Ohne dieses hohe Maß an Selbstausbeutung aller Beteiligten hätte FMP wohl nicht fast 50 Jahre überlebt.

Neben Brötzmann ist noch Alexander von Schlippenbach zu nennen, ebenfalls einer der Gründer. Er gilt heute international als einer der zentralen Musiker und Komponisten und Bandleader des europäischen Free Jazz.

 

Was für ein Kontakt bestand zum ehemaligen Osten?

Jazz hatte im Kalten Krieg den ungewöhnlichen Status, dass er auf beiden Seiten des Vorhangs als förderwürdig galt. Vereinfacht ausgedrückt: Für den Westen war der Jazz die Musik der Freiheit, im Osten sah man ihn ab 1953, also nach Stalins Tod, als authentischen Ausdruck der unterdrückten afro-amerikanischen Arbeiterklasse. Ab den 1960er Jahren etablierte sich eine veritable Jazzszene. Die Reihe „Jazz in der Kammer“ im Deutschen Theater brachte auch FMP-Musiker in die DDR. Jost Gebers knüpfte Anfang der 1970er Jahre die notwendigen Kontakte in den Osten und begann auch DDR-Musiker in Westberlin aufzunehmen. FMP war somit die erste westliche Plattenfirma, die DDR Musiker aufnahm. Die bekanntesten waren Konrad „Conny“ Bauer oder Ernst Ludwig Petrowsky.

FMP-Musiker gingen mehrfach auf Tournee durch die DDR, spielten im Palast der Republik und vor 10.000 Zuhörern beim Peitzer Festival, das „Woodstock am Karpfenteich“. Diese Zuhörerzahlen gab es im Westen kaum, das war auch für die westlichen Musiker faszinierend. FMPs Doppel-LP Snapshot Jazz Now/Jazz aus der DDR von 1980 bot einen sehr guten Überblick über die DDR-Jazz-Szene.

 

Sven-Åke Johansson mit dem NMUI Im SO 36, `79 Cover Single 7’’ FMP-S 17 Design: Martin Kippenberger © FMP-Publishing

 

Wie lässt sich die Verbindung von FMP und Berlin beschreiben?

Jost Gebers schaffte es durch seine beharrlichen Bemühungen beim Senat, jährlich Unterstützung für FMP zu erhalten. Die Konzerte wurden Kult, wie auch die Platten, die in kleinen Auflagen von zum Teil nur 500 Exemplaren erschienen. Durch die staatliche Unterstützung und die Vernetzung mit Berliner Institutionen wie dem DAAD und der Akademie der Künste konnten oft Musiker aus der ganzen Welt eingeladen werden. Zahlreiche Konzerte waren Eintritt frei, wie z.B. von 1970 bis 1995 mehrfach im Jahr im Rathaus Charlottenburg.

FMP schaffte es auch, Jazz-Legenden wie Cecil Taylor nach Berlin zu holen. Er gab zwei Monate lang in Berlin Konzerte, die FMP nahm dabei auf und veröffentlichte 1989 eine Box mit elf CDs, die bis heute als Standard für solche Vorhaben gilt.

Auch die Unterstützung der Akademie der Künste war entscheidend. Besonders wichtig war Nele Hertling, die damals für Tanz und Musik in der Akademie verantwortlich war und 25 Jahre lang die Konzerte von FMP in der Akademie am Hanseatenweg betreute. Als Berlin 1988 Kulturhauptstadt war, stellte sie ein experimentelles Programm zusammen und ermöglichte so das erwähnte Cecil Taylor-Festival.

 

Feminist Improvising Group, FIG beim Total Music Meeting, 1974 Foto: Dagmar Gebers © Dagmar Gebers/FMPPublishing

 

Was bedeutet der Begriff „Underground“ im Bezug zu FMP?

Underground bezeichnet hier eher die kulturelle Leistung außerhalb eines kommerziellen Betriebs. Es ging um die Frage, wie man sich organisiert, um kreativ überleben zu können, ohne sich musikalisch verbiegen zu müssen, um dem Massengeschmack zu entsprechen. Die Platten und Konzerte von FMP liebt man oder man hasst sie. Manche empfinden sie nur als Krach, andere sehen oder hören darin eine experimentelle Musik, die bis hin zu Komponisten wie Bernd Alois Zimmermann führt, der mit FMP-Musikern bei Uraufführungen wie seiner Oper Die Soldaten zusammengearbeitet hat. Die Medien und die Musikkritiker hatten nach den ersten Auftritten von FMP Ende der 1960er Jahre schnell begriffen, dass diese Musik einmalig und etwas Außergewöhnliches war.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Markus Müller.

 

Ein Interview von Alexandra Saheb

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